Gastbeitrag für DC Finance's "Family Wealth" Magazine

Was ist eigentlich „sicher“?

Emotionen liegen im Wesen des Menschen. Menschen - und somit eben auch Investoren - handeln selten rational. Die Sehnsucht von Vermögensinhabern nach Liquidität und Sicherheit ist seit Beginn der weltweiten Finanzkrise besonders stark. Unter dem Eindruck der andauernden Turbulenzen in der Eurozone und der beispiellosen Aktivitäten der amerikanischen Notenbank ist dies mehr als verständlich. Bloß keine Kapitalverluste, lautet die Devise. Auf der Suche nach „sicheren Häfen“ flüchten gerade institutionelle Investoren in Geldmarktanlagen und Anleihen.

Selbst große Pensionskassen mit langfristig gut planbaren künftigen Zahlungsverbindlichkeiten setzen bei Neuinvestments weiterhin auf höchste Liquidität und Garantie des nominalen Kapitals! Offensichtlich ist nicht jedem wirklich bewusst, welchen Risiken sie das Vermögen ihrer Kunden damit aussetzen.

Geldanlagen mit festen Zinszahlungen reduzieren statistisch die Schwankungsintensität (Volatilität) eines Portfolios. Solche Papiere sind deswegen aber noch lange nicht sicher. Dies gilt auch für eine der wichtigsten und liebsten Geldanlagen von Pensionsfonds, Family Offices und Versicherungen - den Staatsanleihen.

Selbst Negativrenditen – sprich: garantierter Kaufkraftverlust – schrecken die „Angstgelder“ nicht ab. Schließlich „garantiert“ der Nimbus der faktischen Konkurssicherheit amerikanischer und deutscher Staatsanleihen die Rückzahlung, auch wenn nach reinen Bilanzmaßstäben die Überschuldung auch dieser Länder längst eingetreten ist.

Und in der Tat: Die nominale Sicherheit ist durch die Hoheit über die Notenpresse vielfach gegeben, es wird einfach weiter neues ungedecktes Papiergeld geschöpft. Die englische Notenbank hat derzeit schon fast ein Drittel der britischen Staatsanleihen aufgekauft und somit frisches Geld ohne realen Gegenwert in den Markt gepumpt.

Während der großen Weltwirtschaftskrise von circa 100 Jahren hatte die Reichsbank letztendlich gar 100 Prozent der Deutschen Anleiheschulden in den Büchern. Das Desaster konnten sie damit nicht verhindern.

Nur der reale Wert der Kapitalanlage zählt

Doch selbst wenn sich die Verschuldungskrisen durch eine Kombination aus mäßigpositivem Wachstum, unbegrenzten Garantien der Zentralbanken und Weginflationierung der Staatschulden auf dem Rücken der Anleger abschwächen sollte, besteht für Sparer, die stark auf Zinstitel setzen, die Gefahr, das wichtigste Ziel der Geldanlage zu verfehlen: 

den Erhalt der realen Kaufkraft ihres Vermögens. Staatsanleihen, von denen Investoren eine risikolose Rendite erwarten, sind zu Wertpapieren mutiert, mit denen man sich ein renditeloses Risiko auflädt. Dabei sehen wir uns heute vier gleichzeitigen Risiken ausgesetzt:

  1. Entwickelt sich die Weltkonjunktur besser als erwartet, dürften hunderte Milliarden USD und Euro in den realen Wirtschaftskreislauf fließen (Lohn-Preis-Spirale)
  2. Den Notenbanken dürfte es aus Rücksicht auf die Politik schwerfallen, rechtzeitig die riesige Geldmenge durch z-B. Zinsanhebungen wieder zu verknappen
  3. Schon mehrmals in der Vergangenheit stieg Inflation sprunghaft an, obwohl die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen dies absolut nicht anzeigten – Sentiments wurden Realität!
  4. Großen Währungs- und Wirtschaftsblöcken fehlt die Flexibilität zur effektiven Inflationssteuerung. Deutschland kann etwas mehr Inflation gut vertragen, Griechenland und Co. brauchen Deflation.

Und noch etwas macht einige Beobachter sehr besorgt: Im Vergleich zu vergleichbaren Konjunkturphasen in vergangenen Zyklen in den USA beobachten wir heute eine deutliche höhere „Grundinflation“.

Die inflationäre Saat ist gelegt

Die reale Entwertung des Anlagevermögens ist also alles andere als ein abstraktes Risiko. Der auslösende Faktor für deutlich höhere Inflationsraten kann gerade eine Verbesserung der weltweiten Konjunkturentwicklung sein wie wir sie im ersten Halbjahr 2013 in Ansätzen erleben. Die bisher weitgehend geräuschlose reale Entwertung der Geldvermögen ist bereits in vollem Gange.

Über einige Jahre hinweg kann es den Staaten durch „Finanzielle Repression“ (Zinsen weit unterhalb der Inflationsrate) gelingen, sich auf dem Rücken ihrer Bürger zu entschulden. Und leider werden dabei Exzesse billigend in Kauf genommen: Die Kurse bei Staatsanleihen können schon fast als „die Mutter aller Preisblasen“ bezeichnet werden.

Der ausschließlich zins- und somit papiergeldfokussierte Investor wird der größte Verlierer sein. In größeren Familienvermögen ist im wahrsten Sinne des Wortes die Lebensleistung der Vorfahren in größerer Gefahr als je zuvor. Panikmache? Mitnichten! Es ist ein teurer Denkfehler, das Risiko einer Geldanlage nur in ihrer Volatilität zu sehen: Ein schwankungs-armes Investment kann enorme Verlustrisiken beinhalten.

Schwankung von Aktienkursen und Nachrang-Anleihen aushalten

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Gegen die schleichende Entwertung der Vermögenswerte kann man sich schützen. Wer die Kaufkraft seines Kapitals erhalten möchte, muss dafür aber bewusst ins Risiko gehen und Vermögenswerte neu allokieren. Zum Beispiel Aktien oder Hybridanleihen international gut aufgestellter Unternehmen kaufen, deren Erzeugnisse faktisch unverzichtbar sind. Er muss also die bei Produktivkapital üblichen Schwankungen in Kauf nehmen, was vielen mit ihrer Angst vor Volatilität ein radikales Umdenken abverlangt. Denn was ist an Schwankungen eigentlich so schlimm? Sollten wir nicht froh darüber sein, wenn mit der Börse ein Barometer zur Verfügung steht, das uns sehr zeitnah den Marktwert und die Liquidität eines Investments anzeigt? Wer dagegen hauptsächlich auf verzinsliche Anlagen setzt, sucht ausgerechnet dort nach Sicherheit, wo die größten Risiken für die Kaufkraft seines Vermögens lauern.

Ohne eine ausgeprägte Sach- und Substanzwertorientierung (Aktien, Edelmetalle, Qualitätsimmobilien, Rohstoffe) der Geldanlagen und die bewusste Inkaufnahme von Kursrisiken wird der reale Kapitalerhalt also künftig nicht zu schaffen sein. An der Beteiligung an unternehmerischem Produktivvermögen einer Volkswirtschaft vor allem über Aktien oder Anlageformen, die nachhaltige Erträge über der Inflationsrate in Aussicht stellen, führt daher auch für eine „Income-Boutique“ wie der BPM kein Weg mehr vorbei.

Uwe Günther ist Gründer und Managing Partner der BPM-Berlin Portfolio Management GmbH, einer in Berlin ansässigen, internationalen Vermögensverwaltung und Fondsadvisors 

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