Marktkommentaar Juni 2011

Am 31.05.1911, also genau vor 100 Jahren, fand ein denkwürdiges Ereignis statt: An diesem Tag wurde die RMS Titanic feierlich vom Stapel gelassen. Nur 320 Tage später, am 15.04.1912, sank das Schiff während seiner Jungfernfahrt nach Kollision mit einem Eisberg. Was diese Tragödie mit dem aktuellen wirtschaftspolitischen Weltgeschehen und moderner Vermögensverwaltung zu tun hat? Nun, eine Entwarnung vorweg: der Untergang des Weltfinanzsystems droht nicht. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Damals war es das verantwortungslose und wenig vorausschauende Handeln der Akteure, das entscheidend für die tragische Entwicklung verantwortlich war. Die damaligen Entscheider an Land und an Bord setzten sich trotz besseren Wissens und letztendlich aus Gier über die rationale Abwägung von Chancen und Risiken hinweg. Heute ist es als Vermögensverwalter unsere Pflicht, die bekannten Fakten besonnen abzuwägen, um Schaden von den uns anvertrauten Vermögenswerten abzuwenden.

In den vergangenen Monaten hat sich in der Summe der bekannten Pros und Kontras erstaunlich wenig wirklich Neues ergeben. Die in unserem Jahresausblick skizzierten Erwartungen und Prognosen sind auch heute aktuell. In den Details werden die strategischen Entwicklungslinien natürlich durch aktuelle Zahlen und Fakten untermauert und ergänzt. Leider ist es uns nicht möglich, ein optimistischeres Bild zu zeichnen. Der Großteil der Gewinne des aktuellen Börsenaufschwunges ist wohl gemacht.

Fassen wir einige wesentliche Dinge zusammen

Unter dem Einfluss einer nach wie vor mehr als ausreichenden Liquiditätsversorgung durch die Zentralbanken flossen in 2011 weiterhin enorme Geldmengen in die weltweiten Aktien-, Rohstoff- und Immobilienmärkte. Dies führte per Saldo fast flächendeckend zu steigenden Preisen in den genannten Märkten. Das eigentliche Ziel der Entwicklung eines selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwungs und der nachhaltigen Konsolidierung des Bankensystems wurde bisher nicht erreicht.

Im Gegenteil: Durch gigantische „Fehlallokation“ der vagabundierenden Kapitalströme entstanden zusätzliche globale Risiken, deren Lösung nicht malansatzweise zu sehen ist.

  1. So leiden die Schwellenländer – während der Krise 2008 noch ein stabilisierender Faktor – zunehmend unter den Dollarmilliarden, die in ihren Ländern spekulativ investiert werden und die Inflationsgefahr anheizen. 
  2. In China entstanden unzählige von riesigen modernen Geisterstädten, die – mit staatlichen Geldern finanziert – keine Nutzer und Bewohner finden. Die chinesische Regierung strafft nun ihre Geldpolitik um ein Platzen der Immobilienblase zu verhindern. 
  3. Über die Verteuerung von vielen Rohstoffen verringern sich die Absatzchancen und Gewinnmargen unzähliger Unternehmen, die die gestiegenen Kosten nicht über höhere Preise kompensieren können. Armut und damit die Gefahr sozialer Konflikte verstärkt sich in vielen Teilen der Welt - auch durch gestiegene Lebensmittelpreise. 
  4. Das in vermeintlich „bombensichere“ Staatsanleihen fließende Kapital hält die Renditen für ebendiese Staatsanleihen künstlich niedrig und erlaubt es zahlreichen Ländern, ihre gefährliche Verschuldung zu billigsten Konditionen weiter zu erhöhen, ohne dafür bisher einen marktgerechten Preis (=Zins) zahlen zu müssen.
  5. Rettungsgelder ohne ausreichende Sicherheiten und Gegenleistungen im Rahmen des EU Schutzschirmes werden aus Steuergeldern finanziert, die die Finanzkraft und den Handlungsspielraum vieler Länder nachhaltig und auf Dauer schädigen. 
  6. Alle Welt redet über Griechenland. Um es vorweg zu nehmen, die Zukunft des Euro wird nicht in Griechenland sondern in Irland entschieden. In Irland wird der Euro als Gemeinschaftswährung gerettet – seine bisherige Stabilität allerdings nicht. Für die Finanzmärkte ist der europäische Finanzplatz Irland deutlich wichtiger als das kleine und hochverschuldete Griechenland Die Griechen werden um einen Schuldenerlass oder – schnitt nicht herumkommen. Wann und wie man diesen aber durchführt, ist (leider) wesentlich von der Politik bestimmt, da man in der zerbrechlichen Wirtschaftslage Milliardenabschreibungen bei Großbanken unbedingt verhindern will. Hierzu aber gern mehr in persönlichen Gesprächen.

Nun könnte man sagen: Na und? Es funktioniert doch bisher!

Wir würden uns dieser Sichtweise nur zu gern anschließen, wenn da nicht drei Hauptprobleme wären:

  • Derfinanzielle Spielraum der Regierungen und Zentralbanken ist leider nicht unendlich. Spätestens wenn die Bevölkerung die Finanzierung von Ausgabenprogrammen nicht mehr toleriert oder die Verschuldung ein Maß erreicht, das eine weitere Kreditaufnahme mangels ausreichender Kreditgeber (Käufer von Anleihen) unmöglich macht, wird es zu erheblichen Marktreaktionen kommen. Als Auslöser können wie so oft in der Geschichte kleinere Ereignisse ausreichen, z.B. die Herabstufung der Kreditwürdigkeit eines wichtigen Landes oder der Kollaps einer wichtigen Bank. Die darauf folgende Investorenflucht macht Kettenreaktionen wahrscheinlich. 
  • Ein entscheidender Faktor menschlichen Wirtschaftens - der Konsum – springt trotz riesiger Konjunkturprogramme nicht an. Im Gegenteil: In wichtigen Industrienationen sinkt diese Kennzahl seit Jahren kontinuierlich. Die betrifft ohne Einschränkung auch aktuelle „Wirtschaftswunderländer“ wie Deutschland. Normalerweise sollten sich stark steigende Unternehmensgewinne – und diese sehen wir aktuell weltweit! – relativ zügig in steigender Beschäftigung und insbesondere in einer deutlich zunehmenden Lohnquote niederschlagen. Und genau dies passiert nicht! 
  • Es lohnt immer wieder daran zu erinnern, daß die Börsen reale Entwicklungen mehrere Monate vorwegnehmen. Angesichts der Tatsache, dass die konjunkturelle Belebung (wenn auch auf Pump) in der Erwartung weiter anhalten wird, spiegeln gerade die Aktienmärkte heute eine besonders positive Entwicklung von morgen wieder. Unserer Meinung nach werden die realen Probleme nicht ausreichend eingepreist. Dies ist nicht unüblich in Aufschwungsphasen. In plastischen Worten: Aktuell ist unserer Meinung nach das künftige Überraschungspotential deutlich geringer als das reale Enttäuschungspotential.

Es ist damit zu rechnen, dass die Wirtschaftszahlen in Europa bis in das dritte Quartal hinein ein eher positives Bild zeigen werden. Danach sollten allerdings die Folgen einer beginnenden und notgedrungenen Liquiditätsverknappung stärker in das Bewusstsein und die Realwirtschaft dringen. Da wir hier über eher kurze Zeiträume von einigen Monaten sprechen, empfehlen wir schon jetzt das Beibehalten einer defensiven Vermögensaufstellung.

Wir sehen uns in dem dreigeteilten strategischen Ansatz der BPM bestätigt und empfehlen weiterhin:

  • Hohe laufende Erträge aus verschiedenen, auch variabel verzinsten, Anleihekassen
  • Hoher Rohstoff- und Edelmetallanteil (das bessere Geld)
  • Nutzung von Mischformen zwischen Anleihen und Aktien, um die Vorteile beider Anlageformen nutzen zu können.

Substanzaktien und Topwerte aus Schwellenländern sind als Beimischung ein strategisches „Muss“ - auch wenn zwischenzeitliche Schwankungen an den Nerven zehren können. Staatsanleihen und stark konjunktursensible Anlagen sollten untergewichtet werden, da hier kaum noch attraktive Chancen zu finden sind. Inflation wird mittelfristig ein wesentliches Thema bleiben, da Staaten, unausgesprochen, hierüber einen Teil ihrer ausufernden Verschuldung „weginflationieren“ möchten.

Wir sind sicher, dass es uns auch in der zweiten Jahreshälfte mit ruhiger Hand und strategischem Blick gelingen wird, eine attraktive Performance zu erzielen. Wir werden eben genau das nicht tun, was der Kapitän der Titanic Edward John Smith verhängnisvoll verursachte, indem er Warnungen und Risiken missachtete.

Wir danken Ihnen für das entgegengebrachte Vertrauen sowie die zahlreichen Weiterempfehlungen und stehen Ihnen jederzeit für persönliche Gespräche zur Verfügung.

Uwe Günther, Sven Marzahn

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