Marktkommentar Dezember 2011

Was hassen die Akteure an den Kapitalmärkten mehr als schlechte Meldungen? Richtig: Unsicherheit. Und davon gab es in den vergangenen Wochen mehr als genug. Und natürlich steht weiterhin die Vertrauens- und Staatsschuldenkrise in Europa im Mittelpunkt der Sorgen von Investoren in aller Welt. Auch vom nunmehr 14. EU Schuldengipfel im Dezember erwarten die wenigsten eine durchgreifende Lösung der prekären Lage.

Schauen wir etwas tiefer.

Die Zögerlichkeit der europäischen Leitnationen hat gute Gründe. Zum einen ist man derzeit nicht ohne weiteres bereit, die amerikanische Medizin des zügellosen Gelddruckens 1:1 zu übernehmen. Die mittelfristigen Risiken für die Geldwertstabilität und damit den sozialen Frieden innerhalb der Europäischen Union erscheinen bisher nicht tragbar. Und zweitens ist die Übernahme der Schulden einzelner Mitgliedsstaaten (den „Olivenländern“) innenpolitisch kaum noch zu vermitteln. Drittens würde jedes „Abfeuern einer geldpolitischen Interkontinentalrakete“ (sprich z.B. unbegrenzter Aufkauf von Staatsanleihen von Krisenstaaten durch die EZB oder unbegrenzte Rettungsschirme) das übergelagerte Grundproblem der unhaltbar hohen Verschuldung nicht lösen. Das einzige Ziel läge somit in der Schaffung eines opportunistischen Vertrauens der Märkte in die EZB und ihre Bereitschaft, in jedem Fall für die Schulden schwacher Euroländer geradezustehen.

Man mag über die Deutschen, Niederländer und Finnen denken was man will, aber deren zweigeteilter Ansatz der Einbettung der aktuellen Lösungsfindung in einen strategischen und langfristig tragfähiges Gesamtkonzept ist im Interesse des europäischen Volksvermögens wichtig und richtig.

Schauen wir noch etwas tiefer.

Man muss keiner Verschwörungstheorie anhängen um einige der entscheidenden Interessenlagen mit wenig Aufwand herausarbeiten zu können:

  1. Innerhalb der Weltleitwährungen US-Dollar, Euro und Yen haben sich in den vergangenen zehn Jahren entscheidende Veränderungen zu Gunsten des Euro ergeben. Umschichtungen gerade auch arabischer und asiatischer Notenbanken zu Gunsten des Euro stellen das amerikanische Modell der Finanzierung des amerikanischen Budgets durch Verschuldung im Ausland langfristig in Frage. Ein frei handelbarer Yuan würde diesen Prozess noch beschleunigen und die Refinanzierung des Schuldenberges von derzeit über 15.000.000.000.000,00 USD stark gefährden.
  2. Die USA und Präsident Obama stehen 2012 vor entscheidenden Wahlen. Sowohl wirtschaftlich, innenpolitisch als auch außenpolitisch bläst der Obama Administration der Wind ins Gesicht. Da sind Erfolge, demonstrierte Stärke oder - als Minimalziel - zumindest beherrschbare Probleme von entscheidender Bedeutung. Es geht den USA ganz offen- sichtlich nicht um die Beseitigung des Euroblocks, wohl aber um dessen global-strategische Schwächung.
  3. Der Angriff auf den Euro erfolgt an seinem schwächsten Punkt - nein, nicht das kleine Griechenland ist gemeint, sondern das bisherige Fehlen einer politischen- und Fiskalunion. Aus dem absolut überschaubaren „Problem Griechenland“ wurde ein europäischer Flächenbrand, der die erfolgreiche Reformpolitik innerhalb der Eurozone gefährdet und sich aktuell global destabilisierend auswirkt. Wird die aktuelle Krise genutzt, um in Europa längst überfällige strukturelle Reformen entschlossen anzugehen, dürfte dies zu riesigen Verlusten bei spekulativen Positionen führen, die auf einen Zerfall des Euro wetten.
  4. Beim Vergleich entscheidender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für künftiges Wachstum wie Verschuldung, Infrastruktur, Bildung, Steuersystem, Innovationskraft und der Fähigkeit zur Schaffung von Arbeitsplätzen schneiden die USA im relativen Vergleich mit anderen führenden Volkswirtschaften von Jahr zu Jahr schlechter ab. Da muten die Ausführungen der führenden Ratingagenturen und sogar des US-Präsidenten Barack Obama, der – man kann über so viel Dreistigkeit nur staunen – den Europäern bei der Bewältigung ihrer Schuldenkrise die Hilfe der USA anbietet, schon obskur an.
  5. Es ist ökonomisch schwerlich vorstellbar, dass die aktuellen ernsten Probleme einzelner Staatsfinanzen das Ende des nun schon seit fast sechs Jahrzehnten anhaltenden europäischen Integrationsprozesses sein könnten. Dieser Prozess ist nicht dadurch zu stoppen, dass einige Politiker, Ratingagenturen und Hedgefonds-Manager etwas dagegen haben.
  6. Der Wechselkurs einer Währung ist auch, aber nicht nur, Spiegelbild der Wirtschaftskraft seines jeweiligen Währungsraumes. Der Euro ist heute gut 14% stärker als bei Festlegung der Wechselkurse am 01.01.1999 bzw. fast 50 % über dem Stand zum Zeitpunkt der Euro- Bargeldeinführung. Todgeweihte sehen anders aus.

Wer zahlt die aktuelle Rechnung?

Aus unserer Sicht gibt es also, von einigen spekulativen Investoren und Hedgefonds abgesehen, ein vitales internationales Interesse das Vertrauensproblem in der Peripherie Europas so schnell als möglich zu lösen. Machen wir es an dieser Stelle kurz: Wer am Ende wie viel der schon auf dem Tisch liegenden Rechnung übernimmt, ist noch offen. Auf jeden Fall haben wir ein engmaschiges Netz aus mehreren Kandidaten von denen alle ein hohes wirtschaftliches Eigeninteresse haben (in der u.E. wahrscheinlichsten Reihenfolge von Fähigkeit bzw. Bereitschaft): Europäische Zentralbank EZB, EFSF (Euro Krisenfonds), Internationaler Währungsfonds IWF, Gruppe von Schwellenländern, amerikanische Notenbank FED, Chinesische Nationalbank PBC.

Wie schlagkräftig selbst punktuelle, konzertierte Aktionen sein können, hat die vergangene Woche gezeigt: Erstens haben die EZB und andere Notenbanken eindeutig klargemacht, dass sie generell mehr zur Stabilisierung der Krise tun werden als jemals zuvor; zweitens haben sie dies gleich konkret mit der Liquiditätsversorgung zwischen den Banken demonstriert. Es kommt an den internationalen Kapitalmärkten ohne Zweifel gut an, dass Anleger wissen, letztlich könnte die Notenbank die Kohlen aus dem Feuer holen. Dass dies natürlich problematische Langfristfolgen impliziert, haben wir oben schon erwähnt; derzeit geht es nur um die Phase akuter Krisen- bewältigung. Die gewollt überraschende Intervention der Notenbanken führte an fast allen weltweiten Märkten zu massiven Kursanstiegen von Aktien und Rohstoffen sowie zu moderat zurückgehenden Renditen und den Preisen von Kredit-Ausfall-Versicherungen (CDS).

Zwischenfazit

Ja, die USA sind weiterhin die Weltmacht Nummer eins. Aktuell zeigen die amerikanische Wirtschaft, der Immobilienmarkt und das Verbrauchervertrauen temporäre Erholungstendenzen. Von notwendigem hohem Wachstum, das ausreichend Arbeitsplätze schafft und die Schuldenspirale bremst, sind wir jedoch weit entfernt. Und ja, die USA können nach öffentlicher Wahrnehmung faktisch nicht Bankrott gehen, da sie das zur Bedienung der Schulden nötige nominale(!) Geld jederzeit und ungefragt drucken.

Und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Länder aus der Euro-Währungsunion ausscheiden, weil ihre mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihnen innerhalb des Euro die Luft zum Atmen nimmt. Wichtig ist es jetzt, die notwendigen, aus der Not geborenen und mit hohen Nebenwirkungen behafteten Sofortmaßnahmen sinnvoll mit einem allseits verbindlichen Konzept langfristiger Europäischer Integration und Stabilität zu verzahnen. Es geht heute um Tempo und Besonnenheit!

Der Euro selbst und das Projekt Europäische Union sind durch all die oben beschriebenen Herausforderungen aber keinesfalls in Gefahr. Wir können uns gut vorstellen, dass nach den vor uns liegenden schmerzhaften Anpassungsprozessen - oder besser Schlankheitskuren - die internationale Position dieser Währung sogar noch gefestigt wird.

Was bedeutet dies für die Vermögensanlage?

Wir denken, die Tendenzen sind weiterhin eindeutig. Und gegenüber unseren letzten Markt- kommentaren haben wir unsere Grundeinschätzungen nicht revidieren müssen.

Neu ist, dass Investoren wieder einmal deutlich vor Augen geführt wird, dass der Preis einer Anlage nahezu nie dessen Wert entspricht. In optimistischen Hausse-Phasen wird „Risiko“ in der Regel zu gering bezahlt und in Zeiten starker Verunsicherung erhalten Investoren oftmals hoch attraktive Risikoprämien. Derartige Bewertungsdifferenzen können oft längere Zeit bestehen und geben dem Investor oder dem Vermögensverwalter so ausreichend Zeit, sich entsprechend zu positionieren. Was sind nun unsere Kernaussagen zur Vermögensstruktur?

  • Substanz und Qualität bleiben Trumpf. Anleihen und Aktien von Unternehmen mit soliden Bilanzen und ausreichender kritischer Größe sind keine Mangelware!
  • Zahlreiche Anleihen von solide aufgestellten Bankinstituten werden in „Sippenhaft“ mit den schwächer kapitalisierten Investmentbanken genommen. Variabel verzinste Papiere solider europäischer Volksbanken oder Institute mit hohem mittelbarem Staatsbesitz notieren weit unter Wert und bieten attraktive laufende Kupons plus Inflationsschutz über Zinsanpassungs- klauseln.
  • Internationale Notenbanken kauften zwischen Juli und Oktober so viel Gold wie noch nie in den letzten 40 Jahren. Gold und Silber sind besseres Geld – nicht viel mehr aber auch nicht weniger. „Must have“.
  • Auf Grund mittelfristiger Inflationsgefahren - ggf. nach einer deflationären Episode in den kommenden Quartalen – sollte der relative Anteil an Substanzwerten des Aktienmarktes erhöht werden. Konservative Sonderformen in Form von Discount- oder Bonusstrukturen bieten sich auf Grund der aktuellen hohen Marktschwankungen an, da diese zu nochmals besseren Konditionen führen.
  • Die neuen Eigenkapitalrichtlinien für Banken und Versicherungen (Basel III und Solvency II) machen bestimmte Finanzierungsinstrumente für Institute künftig unattraktiv. Durch das Kündigungsrecht dieser Wertpapiere lassen sich für Investoren aktuell herausragende Renditechancen herausarbeiten.
  • Der Anteil an US-Dollar und Schwellenländerwährungen wie Bras. Real, Türk. Lira, Südafrik. Rand oder Indonesische Rupie sollte einen substanziellen Teil eines internationalen Rentenportfolios ausmachen. Norwegische Krone, Austral. Dollar und Kan. Dollar sind als Beimischung geeignet und sollten im Schwerpunkt über Aktien in diesen Währungen abgebildet werden.
  • Eine undifferenzierte und Angst getriebene Reduzierung von Euro-Positionen ist aus unserer Sicht unnötig und schädlich.
  • Deutsche und amerikanische Staatsanleihen vernichten real Kaufkraft und taugen aktuell nicht als Langfristinvestment sondern höchstens als Parkstation.

Wir möchten abschließend auf ein Paradoxon der Kapitalmarktpsychologie hinweisen: In wohl keinem anderen Markt verursacht der Kauf von Gütern (Finanzanlagen) zu niedrigeren Preisen (Kursen) ein deutlich negatives Gefühl und der Kauf zu relativ hohen oder gar steigenden Preisen ein gutes Gefühl! Ursächlich dafür ist - unter anderem - das Bestreben, sogenannte „Kaufreue“ zu vermeiden, falls das Gut nach Erwerb noch billiger wird. Die nachprüfbare Qualität der geplanten Investition tritt dagegen oft deutlich in den Hintergrund. Wir nutzen diese Beobachtung regelmäßig bei der Analyse unseres Verhaltens als Portfoliomanager.

Bitte seien Sie versichert, dass wir auch in den kommenden Wochen mit objektivem Blick und ruhigem Sachverstand agieren werden. Die Wertentwicklung der gemanagten Vermögen belegt in den verschiedenen Risikoklassen sehr eindeutig die Zweckmäßigkeit der verfolgten Anlage- philosophie. Für intensivere Gespräche, Fragen und Hinweise stehen wir Ihnen gern zur Verfügung und danken herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Uwe Günther, Sven Marzahn

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