Marktkommentar Oktober 2011

Das dritte Quartal des Jahres 2011 hätte nervenaufreibender nicht sein können. So notierte beispielsweise das deutsche Kursbarometer DAX noch in der ersten Juliwoche deutlich über 7400 Punkten und verlor danach innerhalb von nicht einmal 70 Tagen mehr als 30% seines Wertes. Parallel fiel beispielsweise das wohl wichtigste Industriemetall Kupfer um gut 28%.

Nach einigen wenigen, aber milliardenschweren Verkaufsaufträgen für europäische und insbesondere deutsche Standardaktien durch eine Handvoll amerikanischer Investoren zwischen dem 1. und 4. August, setzte eine destruktive Eigendynamik ein und die Welle negativer Meldungen und Spekulationen riss nicht mehr ab. Ab einem gewissen Niveau machte sich dann auch Panik bei einzelnen Investoren bemerkbar und die Schwankungsintensität der Kurse nahm teils dramatische Züge an. Weltweit nehmen die Kurse vieler Wertpapiere eine tiefe Rezession schon jetzt vorweg! All dies, wohlgemerkt, ohne dass Industrieunternehmen in der Breite schlechtere Zahlen oder Berichte veröffentlicht hätten. Im Gegenteil: Volle Auftragsbücher und stabile oder steigende Dividendenausschüttungen sind weltweit eher die Regel als die Ausnahme. Dividendenausschüttungen sind weltweit eher die Regel als die Ausnahme.

um bewerten die Marktteilnehmer zahlreiche Anlageklassen innerhalb einer derart kurzen Zeit mit historisch zu nennenden Abschlägen? Dieser dramatische Kursrückgang ist umso erstaunlicher, da sich insbesondere die deutsche Industrie in einer bemerkenswert guten Situation befand und immer noch befindet. Und die Probleme des vergleichsweise kleinen Griechenlands können es sicher nicht sein. Hier geht es im Wesentlichen um die Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Vertrauenskrise.

Seriöse Antworten lassen sich sicher nur geben, wenn diese extrem Marktbewegung in das internationale wirtschaftliche und politische Umfeld eingebettet wird. Derartige Ereignisse resultieren in der Regel nicht aus einzelnen Meldungen oder neu gewonnen Erkenntnissen, sondern sind die Folge einer Verkettung von negativen Umständen und einem entsprechend verunsicherten Marktumfeld.

Wir möchten an dieser Stelle nicht die unzähligen Argumente, Informationen und Erklärungs- versuche der Tagespresse wiederholen, denn diese sind Ihnen sicher hinlänglich bekannt. Sowohl die Fast-Zahlungsunfähigkeit der USA per 2. August, die internationale Uneinigkeit über die weitere Vorgehensweise zur Unterstützung einzelner Euro-Mitgliedsländer als auch die innere Zerstrittenheit vieler nationaler Parlamente bildeten eine ungesunden Mischung. Dazu kam der augenscheinliche Vertrauensverlust gegenüber Politikern und Wirtschaftsweisen, denen immer weniger Kompetenz zur Lösungsfindung der Staatsverschuldungskrise zugetraut wurde.

Solange sich aber keine für die meisten Marktteilnehmer nachvollziehbare und Erfolg versprechende Lösung der Probleme abzeichnet, so lange wird die Unsicherheit an den Kapital- märkten wohl weiterhin Bestand haben. Im Kern haben wir es also mit einer sehr plötzlich eskalierten Vertrauenskrise und weniger einer Wirtschaftskrise zu tun. Gelingt es aber nicht, Vertrauen wieder zu bilden, werden Investitionen zurückgefahren und das Wirtschaftswachstum wird somit – zumindest zeitweise – geschwächt.

Die Interessenlagen

Die Komplexität der Situation überfordert also oftmals nicht nur private Kapitalanleger sondern auch Politiker und ganze Regierungen. Deshalb empfehlen wir zur rationalen Beurteilung der Lage einen Schritt zurück zu treten und die übergeordneten, gemeinsamen Interessenlagen der bestimmenden Akteure zu beleuchten. Weder die USA, Europa und Japan noch die neuen „Powerplayer“ China, Indien, Brasilien und Russland haben ein Interesse an einer Eskalation der Schuldenkrise in Europa. Im Gegenteil: Die Auswirkungen auch auf deren eigene Volks- wirtschaften wären dramatisch, da Exporte in die konsumorientierten Industrieländer überlebenswichtig sind. Dementsprechend erhöhen die Entwicklungsländer den Lösungsdruck auf die Führungsnationen und stellen gleichzeitig erhebliche finanzielle Begleitung in Aussicht.

Zudem haben die USA und Deutschland weiterhin einen globalen Führungsanspruch bzw. - verpflichtung, den diese nicht freiwillig aufgeben werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die sehr deutliche Aufforderung der USA an Europa zu verstehen, zügig zur „Amerikanischen Medizin“, der extremen Liquiditätsversorgung der Märkte mit billigem Zentralbankgeld, überzugehen. Der Widerstand der Europäischen Zentralbank (EZB) dagegen, die im Gegenteil zur Notenbank der USA (FED) ausschließlich der Geldwertstabilität und nicht zusätzlich dem wirtschaftlichen Wachstum verpflichtet ist, bröckelt. Diese weitere Lockerung der Geldpolitik kann über eine großzügigere Kreditvergabe der Geschäftsbanken dazu beitragen, die lahmende Konjunktur anzukurbeln, die Liquidität des Bankensektors zu sichern sowie den Arbeitsmarkt und damit den Konsum zu stabilisieren. Viel mehr können FED, EZB & Co. wahrscheinlich auch nicht tun. Dies ist aber mittelfristig mit einem hohen Inflationsrisiko verbunden, auf das wir uns schon jetzt in der Verwaltung der betreuten Mandate einstellen.

Erstaunlicherweise wird in Europa kaum der enorm negative Einfluss einer möglichen Rezession in den führenden Industrienationen auf die Volksrepublik China diskutiert. In China vermischen und addieren sich innere soziale und politische Spannungen des Landes mit einer starken Abhängigkeit von Exporten. Die Sorge um stärkere Verwerfungen in China (als Folge der aktuell noch ungelösten Staatsschuldenkrise in Europa) ist aus unserer Sicht eine sehr plausible und tiefergehende Begründung für die erheblichen Marktschwankungen der letzten Wochen. Wenn der Motor in China stottert, sind viele Länder direkt betroffen. Gleiches wirkt auf China zurück, wenn die Welt nicht mehr konsumieren will. Apropos China: Im Chinesischen setzt sich das Wort „Krise“ aus zwei Schriftzeichen zusammen – „Gefahr“ und „Chance“.

Der Druck auf Politiker zeigt erste Wirkung

Der Lösungsdruck auf die verantwortlichen Regierungschefs zeigte in den letzten Tagen Wirkung: Nach der Zustimmung u.a. der Parlamente in Deutschland, den Niederlanden und Finnland zur Aufstockung des Volumens des „Rettungsschirmes“ (EFSF) keimten Hoffnungen auf ein absehbares Ende der Euro-Schuldenkrise – und auch Aktienkurse erholten sich teils deutlich von ihren Tiefstständen. Zudem äußerten sich einige europäische Spitzenpolitiker im Hinblick auf eine theoretische Hebelung des EFSF-Volumens vorsichtig optimistisch (Anmerkung: Durch die Vergabe einer Bank- oder Versicherungslizenz an den Rettungsfonds könnte dieser, wie eine richtige Bank oder Versicherung, deutlich mehr Darlehen vergeben oder Garantien aussprechen als er selbst an Eigenkapital besitzt). Mit einer solchen Hebelung würden ausreichend finanzielle Mittel zur Verteidigung und ggf. Rettung der Eurozone bereit stehen. Jedoch dürfen all diese Rettungsmechanismen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die in die Schusslinie geratenen Länder (insbesondere die wichtigen Länder wie Italien und Spanien) ihre Hausaufgaben zur Haushaltskonsolidierung erledigen müssen. Irland geht derzeit mit erstaunlichen Erfolgen voran und zeigt somit, dass dies auch möglich ist.

Im Klartext: Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Politik in Europa den Ausfall auch nur einer einzigen großen und systemrelevanten Geschäftsbank mit allen verfügbaren Mitteln verhindern wird. Selbst Verstaatlichungen von Banken halten wir vor diesem Hintergrund nicht für ausgeschlossen. Wir rechnen schon in den kommenden Tagen und Wochen mit weiteren einschneidenden geldpolitischen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens.

Fazit

Die Weltwirtschaft wird sich im laufenden Quartal und Anfang 2012 weiter abschwächen. Im Verlauf des Jahres 2012 werden dann aber aus unserer Sicht die Wachstumskräfte wieder überwiegen. Die Börsen werden dies wie üblich mit einigem Zeitvorlauf vorwegnehmen. Das absolute Bewertungsniveau vieler Anlageklassen hat mittlerweile ein eher preiswertes Niveau erreicht. Trotz der zu erwartenden konjunkturellen Abkühlung und den damit einhergehenden Gewinnreduzierungen, liegen die aktuellen Werte oft deutlich unter den langfristig zu beobachtenden Mittelwerten. Dass die Top-Manager führender Unternehmen insbesondere im August so viele Anteile Ihrer eigenen Unternehmen kauften wie seit über zwei Jahren nicht mehr, scheint diese Analyse zu bestätigen.

Die politischen Entscheidungsträger werden nach den großen Enttäuschungen der letzten Monate entschlossener handeln können und müssen. Wir geben zu, sowohl vom Ausmaß als auch von der Geschwindigkeit der Aktien- und Rohstoffbaisse überrascht worden zu sein. Unsere Einschätzung für Substanzaktien, Unternehmensanleihen, Edelmetalle und Rohstoffe bleibt aber dennoch weiterhin unverändert. Diese Investments sehen wir nach wie vor als Kernbestandteile der Vermögensallokation an. Edelmetalle und Goldminen bilden weiterhin ein stabilisierendes Element. In Anbetracht der zweifelhaften Geldwertstabilität von Dollar und Euro und der latenten Inflationsgefahr werden wir hier „kein Gramm“ abgeben. Sparkonten, Geldmarktanlagen und hohe Kontoguthaben aber auch Staatsanleihen sind für den strategischen Anleger keine dauerhafte Alternative und keine „sicheren Häfen“ mehr, da diese besonders stark einer schleichenden Inflation ausgesetzt sind und die vermeintliche Sicherheit mit einem permanentem Kaufkraftverlust „bezahlt“ werden muss.

Seien Sie versichert, dass wir Ihre Vermögenswerte auch in Phasen großer Unsicherheit mit ruhiger Hand und ökonomischen Sachverstand verwalten werden. Wir danken abermals für das geliehene Vertrauen und stehen für vertiefende Informationen und Gespräche gern zur Verfügung. 

Uwe Günther, Sven Marzahn

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