Publizistischer Aufsatz der Geschäftsführung April 2012

Gastbeitrag für DC Finance's "Family Wealth" Magazine

Internationale Allokation von Wertpapiervermögen - Paradigmenwechsel im Standortwettbewerb?“

Wenn man heute eine Analyse der weltweiten Standorte und der Wanderungsbewegungen großer Wertpapiervermögen vornimmt, käme man sicherlich zu auf den ersten Blick zu we- nig überraschenden Ergebnissen. Historisch gewachsene Zentren der Vermögensverwal- tung wie beispielsweise die Schweiz, Luxemburg und das Fürstentum Liechtenstein sowie die bekannten, kleineren offshore Standorte sind einfach „gesetzt“. Das dynamische Zen- trum des neuen Reichtums - Singapur - zog und zieht als asiatischer Gegenpol auf bisher beispiellose Weise vor allem junges und produktiv erworbenes Vermögen an. Insbesondere steuerlich und regulatorisch motivierte Wanderungsbewegungen finden in überwiegender Mehrzahl zwischen eben genau diesen Finanzzentren statt. So weit so gut.

Schauen wir auf die ursprünglichen Motivationen der Vermögensinhaber und vergleichen diese mit den aktuellen Realitäten und Entwicklungen, wird das Bild schon deutlich differen- zierter.

1) Die Erbengeneration entscheidet oft anders

Es ist kein Geheimnis, dass die Erbengeneration zunehmend andere bzw. neu gewichtete Prämissen bei der strategischen Ausrichtung großer Familienvermögen setzt. Unter dem Einfluss dramatisch veränderter geopolitischer Kräfteverhältnisse, der Wahrnehmung der Endlichkeit globaler Ressourcen sowie veränderter sozialer Wertesysteme wird auch die regionale Allokation von Vermögen zunehmend einer kritischen Sinnprüfung unterzogen.

2) Globalisierung verringert auch den Effekt der Steuerarbitrage

Die steuerlichen Optimierungsmöglichkeiten von Finanzanlagen und die damit oft einherge- hende Standortwahl verlieren unter dem Einfluss von bi- und multilateralen Besteuerungs- abkommen, nationalen Amnestieregelungen, Steuernivellierungen und internationaler Mel- deverfahren an Effekt. Und auch durch die seit nunmehr über zwölf Jahren fallenden Kapi- talmarktzinsen sinkt die relative Attraktivität und Wirkung von Gestaltungsmodellen.

3) Ein Steigender Qualitätsanspruch als logische Konsequenz veränderter Rah- menbedingungen

Der übergeordnete Anspruch des realen Kapitalerhalts ist, trotz aller noch möglichen Opti- mierungsmaßnahmen, heute in größerer Gefahr denn je. Manager einiger großer Schweizer Institute merken im vertraulichen Gespräch durchaus selbstkritisch an, dass man ob des bisher kontinuierlichen Neugeldzuflusses im Tagesgeschäft doch etwas bequem geworden sei. Somit richtet sich das Augenmerk nach Jahrzehnten der teilweisen Vernachlässigung wieder verstärkt auf die handwerkliche Komponente der Vermögensverwaltung.

4) Der Einfluss wirtschaftlicher und politischer Stabilität auf die Standortwahl steigt

Es heißt: „Kapital ist wie ein scheues Reh“ - richtig. Wird die Nahrung knapper, erweitert es seinen Aktionsradius. Ist es gar in seiner Existenz bedroht, flüchtet es konsequent und mit hoher Geschwindigkeit. Wir hören in zahlreichen Gesprächen mit Mandanten, auf Kongres- sen und in informellen Runden, dass der Begriff des „sicheren Hafens“ zunehmend eine erweiterte Bedeutung erhält. Waren bisher meist US-Staatsanleihen und Deutsche Bun- desanleihen gemeint, wird heute verstärkt auch wieder über Länder mit verlässlichen wirt- schaftlichen Perspektiven und politischen Rahmenbedingungen gesprochen.

Wohin geht die Reise?

Um Missverständnissen vorzubeugen: In den obigen Gedanken wurden einige Tendenzen und Einsichten skizziert, die Teil von langfristigen, teilweise homöopathischen Verände- rungsprozessen sind. Diesen gilt es aber von allen Beteiligten sorgfältig zu beobachten.

Von Investoren, um Ihre Verantwortung für Sicherheit und Ertrag des eigenen Ver- mögens nachhaltig wahrzunehmen.
Von Vermögensverwaltungen und Banken, um strukturelle Veränderungen proaktiv zu begleiten sowie Kundenverbindungen zu halten und Mandatsaufträge zu sichern.
Von Regierungen, die ein urbanes Interesse an einer prosperierenden und attrakti- ven Finanzindustrie haben.
Und nicht zuletzt von Produktproduzenten, die veränderte Rahmenbedingungen und Investorenziele in der Konzeption und Realisierung von Einzellösungen berücksichti- gen müssen.

Fazit

An den asiatischen Finanzzentren führt auch künftig kein Weg vorbei. Herausfordernd bleibt es aber insbesondere für den Finanzplatz Schweiz. Nicht alle Institute sind auf die Paradigmenwechsel vom „Einsammeln“ neuer Anlagegelder hin zu einer aktiven Kunden- gewinnung und einem stärkerem Wettbewerb vorbereitet. Und die großen Nachbarländer Österreich und insbesondere Deutschland verfügen ebenfalls über hohe wirtschaftliche und politische Stabilität, zudem aber auch über eine konkurrenzgewohnte, traditionsreiche und fachlich hochversierte Elite an Privatbanken und Vermögensverwaltungsgesellschaften. Hervorragende, landesspezifische Einlagensicherungssysteme, belastbare „conflict of inter- est policies“ sowie strengste Überwachung der Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen sind zudem mehr als einen Blick wert.

Uwe Günther ist Gründer und Managing Partner der BPM-Berlin Portfolio Manage- ment GmbH, einer in Berlin ansässigen, internationalen Vermögensverwaltungsge- sellschaft

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