Rückblick auf das 4. Quartal 2022 und Ausblick 2023

 

„Meep meep“

Lautmalerisch dargestellter Ruf der Zeichentrickfigur des „Road Runner“ - eines flugunfähigen aber extrem schnell laufenden Vogels aus den US-Zeichentrickfilmen der Warner Brothers Filmstudios (1949 bis heute)

Nein, seien Sie unbesorgt! Wir flüchten uns angesichts der Krisen und deren Auswirkungen auf unser alltägliches Leben und die Portfolios unserer Mandanten nicht in eine kindliche und von allerhand Unmöglichkeiten strotzende Fantasiewelt. Aber selbst klassische Zeichentrickfilme können dabei helfen, Finanzmärkte und die manchmal durch typisches menschliches Verhalten verursachten Fehler besser zu verstehen und zukünftig besser vorherzusehen.

Der „Wile E. Coyote-Moment“: Weiterlaufen trotz fehlendem Boden
unter den Füßen – kommt an Finanzmärkten vor!

Im Zeichentrickklassiker von Warner Brothers stürzt der Kojote bei seiner Jagd auf den schnellen und cleveren Roadrunner häufig über die Kante einer Klippe in den Abgrund. Sein Absturz beginnt häufig erst, nachdem er noch eine Weile in der Luft weitergelaufen ist und mit entsetztem Blick unter sich bemerkt, dass er in die Tiefe stürzen wird. Bewundernswert ist die Ausdauer des Kojoten, dem solche Unglücke mehrmals widerfahren, und der trotzdem seine Jagd unbeirrt fortsetzt.

Was physikalisch nur im Trickfilm möglich ist, scheinen Finanzmärkte gelegentlich auch in der realen Welt zu schaffen. Dabei kann die Zeit, die sie längst über einem Abgrund schwebend noch weiter rennen, erstaunlich lang sein. Investoren glauben, aufgrund der bisherigen guten Erfahrungen „festen Grund“ unter ihren Füßen zu spüren, obwohl sie tatsächlich schon frei in der Luft über einem (Börsen-) Abgrund schweben. Die sorglose Fortschreibung von bisherigen Entwicklungen und das Übersehen oder Verdrängen von gefährlichen Entwicklungen kann gerade für langfristig orientierte Anleger erhebliche negative Auswirkungen haben.

„Wiederauferstehung“ des Zinses löst Kollaps bei hoch bewerteten Aktien aus

Steigende Zinsen bedeuten Kursverluste für Aktien - so einfach lautet eine alte und immer noch gültige Börsenregel. Aber nicht alle Branchen oder Aktien sind von steigenden Zinsen (= steigende Kosten für Kapital) gleichmäßig betroffen. Auch vergeht immer etwas Zeit, bis Aktionäre und Analysten realisieren, dass zukünftige Gewinne, selbst von kerngesunden, liquiden und gut kapitalisierten Unternehmen, in der Gegenwart (= Börsenkurs) weniger wertvoll sind, sobald Zinsen steigen. Die über lange Zeit historisch sehr niedrigen (USA) oder sogar negativen Zinsen (EU) haben vielleicht bei einigen das Gespür für diese mathematisch zwingende Anpassung verkümmern lassen.

Ein Aktienmarktsegment, bei dem dies 2022 sehr gut zu beobachten war, ist „Big Tech“. Darunter werden die größten, meist seit Jahren sehr erfolgreichen Unternehmen des Technologie- und des diskretionären Konsumsektors verstanden. Namen wie Apple, Amazon, Alphabet (Google), Meta (Facebook), Microsoft, Netflix oder auch Tesla sind wohl die bekanntesten Protagonisten. Diese Unternehmen finden sich wegen ihrer bisherigen Erfolge in den Depots vieler Anleger oder aufgrund der hohen Gewichtungen in Aktienindizes in vielen passiven Anlagestrategien, wie z.B. in manchen Exchange Traded Funds (ETF). Ihre Popularität ging so weit, dass für sie das Akronym „FANG“ entstand, für das auch offizielle Marktindizes geschaffen wurden, um einfacher investieren zu können.

Stellen wir uns einen strategisch orientierten Anleger vor, der Anfang 2017 die richtige Entscheidung traf, in alle Aktien des „Big Tech“ zu investieren – hier dargestellt durch den FANG-Index.

„FANG-Aktien“ im Vergleich mit US-Standardwerten, 2017 bis 2022

Quelle: Bloomberg (gleichgewichtete Indizes, Nettodividenden berücksichtigt)Quelle: Bloomberg (gleichgewichtete Indizes, Nettodividenden berücksichtigt)

Ende 2021, nach fünfjähriger Anlagedauer, hätte dieser Anleger vermutlich zufrieden auf einen Wertzuwachs von 431 % geblickt. Ein Jahr später, Ende 2022, hat sich sein Ergebnis auf 219 % reduziert. Immer noch ein gutes Ergebnis, auch im Vergleich zu den „langweiligen“ Standardwerten mit + 83%. Dieser strategische Anleger ist jedoch in der Realität alles andere als idealtypisch. Viele heutigen Besitzer von „Big-Tech“-Aktien dürften oft, direkt oder oft auch indirekt über ETFs, erst später und zu höheren Kursen eingestiegen sein. Zudem ist aus der psychologischen Forschung(Erstmals beschrieben von Daniel Kahneman und Amos Tversky (1979) in „Prospect Theory“ - 2002 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.) ist bekannt, dass Menschen Ärger über Verluste ungefähr doppelt so stark empfinden, wie Freude über Gewinne.

Das FANG-Aktien Anfang 2022 „von der Klippe stürzten“, ist jedoch nicht allein eine Folge der stark gestiegenen Zinsen. Auch die Erkenntnis, dass zukünftige Wachstumsraten aufgrund neuer und erstarkender Konkurrenz oder auch beginnender Marktsättigung deutlich niedriger ausfallen werden, war bei nüchterner Betrachtung der bis dahin erreichten exorbitanten Bewertungen schon länger möglich.

Das Bild vom „Weiterlaufen in der Luft“ (Ansteigen der Kurse) bis zu dem Moment, wo Investoren bemerken, dass sie sich über einem Abgrund befinden (steigende Kapitalkosten belasten, Umsätze stagnieren oder sinken gar, Prognosen werden verfehlt), erscheint uns irgendwie passend.

Mandanten der BPM profitierten von unserer seit längerem skeptischen Haltung zu „Big Tech“ im vergangenen Jahr. Der Anteil in unseren Portfolios liegt unter 2 % und resultiert aus unvermeidlichen Restgrößen in den von uns wegen anderer Eigenschaften ausgewählten Fonds. Zum Vergleich: allein die eingangs genannten sechs Aktien gehen aktuell noch mit einer Gewichtung von mehr als 20 % in die Berechnung des amerikanischen S&P 500 Index ein.

In nächster Zeit wird es mehr denn je darauf ankommen, Aktien und Anleihen von Unternehmen zu meiden, die die nun deutlich gestiegenen Betriebs- und Kapitalkosten nicht mehr verdienen können. Dies schließt nicht alle, aber doch viele langjährige Wachstumswerte als Anlageobjekt für uns aus.

Wo bleibt die Rezession?

Eines der zur Zeit an den Finanzmärkten aber auch unter Wirtschaftswissenschaftlern am intensivsten diskutierten Themen ist die Frage, ob wir in nächster Zeit einen relativ milden Konjunkturabschwung erleben oder doch mit einer echten Rezession konfrontiert werden. Die Möglichkeit, dass die Wirtschaft mit einer zwar niedrigen aber dennoch positiven Rate weiter wächst, spielt in den Ausblicken von Banken und Fondsmanagern für 2023 so gut wie keine Rolle.

Dies mag auch daran liegen, dass in der Vergangenheit die Ausgangslage kaum jemals so unsicher und undeutlich war, wie dies zur Zeit der Fall ist.

Wir denken, dass die ersten Notenbanken bis Mitte 2023 beginnen werden, ihr Tempo bei den Leitzinserhöhungen zu reduzieren, ohne gleich im Anschluss zu Zinssenkungen überzugehen. Dies erscheint uns auch richtig, da die effektive Wirkung von Zinserhöhungen immer erst mit einigem zeitlichen Verzug einsetzt und die Notenbanken kein Interesse daran haben werden, einen schweren Konjunkturkollaps zu verursachen. Bereits heute sind in den Stimmungsindikatoren von Unternehmen und Verbrauchern deutliche Rückgänge erkennbar, die eine geringere Nachfrage signalisieren. Dies dürfte so auch von den Notenbanken beabsichtigt sein, da es wie eine „Inflationsbremse“ wirkt.

Am wahrscheinlichsten erscheint uns daher für das Jahr 2023 ein Szenario bestehend aus unterdurchschnittlichen Wachstumsraten und deutlich über dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre liegenden Inflationsraten.

Stimmung der Verbraucher und Unternehmen und Entwicklung Leitzinsen USA und Eurozone 2022

Quellen: Bloomberg, University of Michigan Consumer Sentiment, Federal Reserve of Philadelphia Business Outlook, European CommissionQuellen: Bloomberg, University of Michigan Consumer Sentiment, Federal Reserve of Philadelphia Business Outlook, European Commission

Die Entwicklung der Finanzmärkte wird dabei weniger von der absoluten konjunkturellen Entwicklung beeinflusst werden, sondern mehr von der Menge und dem Preis von verfügbaren Krediten abhängen. Die Geldpolitik der Notenbanken, vor allem auch deren verbale Äußerungen, werden 2023 den Takt vorgeben.

Arbeitsmärkte werden trotz Konjunkturschwäche von einer weiter hohen Nachfrage nach Arbeitskräften getragen. Dies führt einerseits zu steigenden Lohnkosten, unterstützt andererseits aber auch die Konsumnachfrage. Unternehmen mit gesunden Bilanzen werden gut in der Lage sein, sich an ein verändertes Umfeld anzupassen und zusätzlich auch die notwendigen Investitionen für strukturelle Aufgaben, wie zum Beispiel Klimaneutralität und Digitalisierung zu finanzieren.

Selbst bei einer definitionsgemäßen Rezession (zwei oder mehr Quartale mit negativer Wirtschaftsentwicklung) würden wir unter diesen Bedingungen und nach den starken Kursverlusten des letzten Jahres nicht zwingend weitere dramatische Kursrückgänge befürchten.

Viel Negatives ist bereits eingepreist – die positiven Aspekte kommen uns in der allgemeinen Bewertung derzeit viel zu kurz!

2022 im Rückblick

2022 kann man zusammenfassend als das Jahr der tiefen Enttäuschungen, mehrerer gleichzeitiger Krisen, Krieg und dem Ende lange gehegter Überzeugungen charakterisieren.

Noch Anfang Januar erreichte der US-Aktienindex S&P 500 neue historische Höchststände. Der deutsche Aktienindex DAX kam bis auf 10 Punkte an sein Allzeithoch heran. Europäische Banken berechneten ihren Kunden für größere Guthaben Negativzinsen, Notenbanken sahen in schnell steigenden Inflationsraten keinen Grund zur Sorge und an der schnellen Erholung der Weltwirtschaft nach dem Ende aller coronabedingten Einschränkungen wurde nicht gezweifelt.

Doch schon zuvor sind einige der Brandherde entstanden, die 2022 zu einem Anlagejahr der Extreme machten:

  • Russland hatte bereits 2021 mit dem Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine begonnen. Der völkerrechtswidrige Einmarsch im Februar 2022 löste den ersten Angriffskrieg in Europa seit Jahrzehnten aus und folgte letztlich einem seit Jahren bekannten Muster Putin‘scher Außenpolitik.
  • Das Ende von Restriktionen aus der Corona-Pandemie hatte die lange aufgestaute Nachfrage von Konsumenten und Unternehmen gelöst. Diese traf auf weitgehend leere Lager und brach liegende Produktionskapazitäten und bereitete den Boden für höhere Preise.
  • Notenbanken stießen mit den steigenden Inflationsraten an die Grenze ihrer „Politik des billigen Geldes“, mit der sie seit 2008 jede aufkommende Krisenstimmung von Wirtschaft und Finanzmärkten rasch unterdrückt hatten. Die komplette Fehleinschätzung der Notenbanker über den tatsächlichen Charakter des schnellen Preisanstieges zwang sie schließlich zu den massivsten Zinserhöhungen seit Jahrzehnten. Die Renditeentwicklung der Anleihemärkte hatte bereits mit einem Vorlauf von einigen Monaten in die richtige Richtung gewiesen.
  • China verrannte sich in eine ideologisch motivierte „Null-Covid-Politik“, die der chinesischen Bevölkerung und aller Welt die Überlegenheit Chinas demonstrieren sollte. Nicht nur die Konjunktur der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft wurde gelähmt, sondern auch das fragile System internationaler Lieferketten gestört. Schon 2021 hatte die chinesische Führung begonnen, den für sie überlebenswichtigen Parteikongress im November 2022 mit massiven Eingriffen in bestimmte Unternehmen und Branchen „vorzubereiten“, um damit Führungsstärke zu beweisen und zu längst überwunden geglaubter Doktrin zurückzukehren.

Alle diese Ereignisse trafen auf Finanzmärkte, die durch die vorangegangene jahrelange Phase äußerst niedriger oder in der Eurozone sogar negativer Zinssätze hoch bewertet waren. Die Folge der entstandenen Unsicherheit waren Wertrückgänge bei fast allen Anlageformen in einem bis dahin nicht erlebten Ausmaß.

Globale Aktien und Anleihen: Jährliche Wertentwicklungen seit 1990 (in USD)

Quelle: Bloomberg (MSCI World Index incl. Nettodividenden und Bloomberg Global Aggregate Total Return Index)Quelle: Bloomberg (MSCI World Index incl. Nettodividenden und Bloomberg Global Aggregate Total Return Index)

2022 markierte ein weiteres historisches Novum, da erstmals überhaupt Aktien und Anleihen gleichzeitig ein Jahr mit großen Wertverlusten beendeten. Der im Portfoliozusammenhang historisch recht zuverlässige Risikoausgleich durch die jeweils andere Anlageform fehlte damit.

Dies ist auch der Grund für die ungewöhnliche Ähnlichkeit der Ergebnisse von Strategien mit sehr unterschiedlichen Risikoprofilen. Insbesondere das Jahresergebnis von defensiven Strategie (30% Aktien / 70% Anleihen) liegt weit außerhalb der bisherigen historischen Bandbreite.

Kombinierte Anlagestrategien 1990 bis 2022: Jährliche Wertentwicklungen (in USD)

Quelle: Bloomberg (MSCI World Index incl. Nettodividenden und Bloomberg Global Aggregate Total Return Index), eigene BerechnungenQuelle: Bloomberg (MSCI World Index incl. Nettodividenden und Bloomberg Global Aggregate Total Return Index), eigene Berechnungen

Die Bilanz für das Gesamtjahr 2022 fällt somit klar negativ aus, auch wenn das letzte Quartal zumindest noch eine leichte Erholung von den Tiefständen Anfang Oktober brachte.

Freundlich gestimmte Finanzmärkte, getragen von der etwas irrationalen Erwartung, dass die US-FED in Kürze ihre Zinserhöhungspolitik umkehren könnte („FED-Pivot“), wurden nach den Dezember-Zinsentscheidungen von FED und EZB und mit den ungewöhnlich klar formulierten Zinserhöhungsabsichten unsanft in die Realität zurückgeholt.

Für die Notenbanken ist diese Haltung folgerichtig, führen doch die starken Kursanstiege geldpolitisch betrachtet zu einer Lockerung der finanziellen Rahmenbedingungen. Damit passen sie weder der FED noch anderen Notenbanken in ihre immer noch auf Inflationsbekämpfung ausgerichteten Pläne.

Wir können uns vorstellen, dass diese Abfolge – Finanzmärkte setzen auf das baldige Ende der Zinserhöhungen, Notenbanken halten nach begrenztem Marktanstieg dagegen – das wahrscheinlichste „Drehbuch“ für die nächsten Monate sein wird.

Die Aktienmärkte zeigten im vierten Quartal überwiegend positive Entwicklungen.

Verhaltener fielen die Kurszuwächse in China aus, wo die Märkte im Bann der politischen Ankündigungen im Rahmen des nur alle fünf Jahre tagenden Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas standen und kurz darauf, Anfang Dezember, von der plötzlichen Kehrtwende in der Null-Covid-Politik überrascht wurden. Die nicht länger zu verschleiernden ökonomischen Schäden und die für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich starken Unruhen in der Bevölkerung zwangen die Regierung zum Handeln.

In Japan führte eine ebenfalls völlig unerwartete Verschärfung der Geldpolitik der Bank von Japan im Dezember zu kurzfristig starken Rückgängen der Aktienkurse.

Entwicklung ausgewählter Aktienmärkte 2022

Quelle: BloombergQuelle: Bloomberg

Insgesamt gehörte das Jahr 2022 zu den schwächsten Aktienjahren der jüngeren Vergangenheit. Lediglich 2008, im Zuge der „Großen Finanzmarktkrise“, verzeichneten Aktien zuletzt schlechtere Resultate.

Zinsen, eine der entscheidenden Größen für die Marktbewertung von Aktien und für deren Vergleich mit anderen Anlagen, lösten durch den starken Anstieg innerhalb der Aktienwelt deutliche Unterschiede in der Wertentwicklung aus. Unternehmen und Branchen, die heute noch Verluste machen oder nur niedrige Gewinne erzielen und deren Kurse damit stark von den in der Zukunft erwarteten hohen Gewinnen abhängen (sogenannte Wachstumswerte, „Growth“), litten stärker unter den höheren Diskontierungsfaktoren. Steigende Eigen- und Fremdkapitalkosten werden hier in nächster Zeit noch für zusätzlichen Gegenwind sorgen. Demgegenüber zeigten sich Substanzwerte („Value“), also Unternehmen, die bereits heute vergleichsweise hohe und stabile Gewinne erzielen, weniger anfällig. Die folgende Grafik zeigt die Unterschiede am Beispiel des Russell 1000, der als Index repräsentativ die vollständige Bandbreite des US-Aktienmarktes darstellt.

Der Anteil von Aktien des „Value“-Sektors ist in den Portfolios unserer Mandanten übergewichtet, auch aufgrund der späteren Zukäufe in 2022.

US-Aktien, unterschieden nach „Value“ und „Growth“, sowie Entwicklung US-Zinsen 10 Jahre

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Wir sehen zum heutigen Zeitpunkt noch keine Veranlassung für eine veränderte Ausrichtung und erwarten auch im Jahr 2023 von der besseren fundamentalen Unterlegung (steigende Umsätze, auch dank höherer Preise sowie nur wenig schrumpfender Gewinne) dieser Aktien mehr Wertstabilität und laufende Erträge in Form von Dividendenzahlungen. Regional wird Nordamerika und Europa weiter den Schwerpunkt bilden.

Gegen chinesische Aktien spricht, trotz der verlockend günstigen Bewertung, immer noch das zu starke und ideologisch motivierte Eingreifen der chinesischen Regierung in die Wirtschaft.

Auch Großbritannien, mit ebenfalls außerordentlich günstigen Bewertungen, wäre grundsätzlich ein attraktiver Aktienmarkt, wenn sich die politische Situation nicht derartig chaotisch darstellen würde.

Beide Länder beobachten wir eng mit Blick auf einen später denkbaren Einstieg.

Die Aktienmärkte einiger Schwellenländer analysieren wir inzwischen nach über zweijähriger Abstinenz wieder mit steigendem Interesse. Geopolitische Verschiebungen, der nicht geringer werdende Rohstoffhunger der Welt und die reale Chance auf einen schwächer werdenden Dollar, sollte die FED ihre Zinserhöhungen stoppen, sorgen zunehmend für Kursfantasie. Erste Schritte in diese Richtung im ersten Halbjahr 2023 scheinen uns sinnvoll.

Die Anleihemärkte konnten sich im vierten Quartal von den historisch beispiellosen Verlusten etwas erholen.

Die einzige negative Ausnahme, „Euroanleihen mit Investment Grade-Rating“, profitierte einerseits von den weltweit deutlich rückläufigen Risikoprämien im vierten Quartal, musste aber andererseits wegen der einsetzenden Invertierung der Eurorenditekurve Kursverluste hinnehmen.

Entwicklung ausgewählter Anleihenmärkte und Hedgefonds 2022

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Die Inversion der Renditekurven – der ungewöhnliche Zustand, bei dem kürzere Laufzeiten höhere Renditen als längere aufweisen – verstärkte sich bei US-Anleihen noch weiter. Inzwischen weisen 2-jährige US-Staatsanleihen eine rund 0,8%-Punkte höhere Rendite auf als 10-jährige. Diese Konstellation signalisierte in der Vergangenheit zuverlässig aufkommende Konjunkturschwächen.

Im Gegensatz zu Aktien und Anleihen konnten Energie und Edelmetalle von der stark inflationären Entwicklung profitieren.

Viele Rohstoffe, die mit der Konjunkturentwicklung in engerer Beziehung stehen, konnten dagegen nicht profitieren. Eine Sondersituation ergibt sich weiterhin bei speziellen Rohmaterialien, die im Zusammenhang mit Themen wie Zukunftsmobilität oder Energieeffizienz stehen und die sich auf einem unverändert hohen Preisniveau halten konnten.

Entwicklung ausgewählter Edelmetalle, Energie und Rohstoffe 2022

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Gold konnte sich zuletzt deutlich erholen und erlebte das beste Quartal seit 2 Jahren. Für in Euro rechnende Anleger wurde die Kurserholung jedoch durch den gegenüber dem US-Dollar wieder etwas festeren Euro gedämpft (+ 0,6 % im vierten Quartal bzw. + 5,9 % im Gesamtjahr). Auch Gold stand das ganze Jahr hindurch unter dem Einfluss der starken FED-Zinserhöhungen, die Goldanlagen wegen des fehlenden laufenden Ertrages weniger attraktiv machten. Unsere Erwartungen hinsichtlich realem Vermögensschutz konnten 2022 nicht vollständig erfüllen. Dennoch gehört Gold mit diesen Ergebnissen schon zu den erfolgreichen Anlagen im letzten Jahr.

Auch wenn Anleihen mit dem Wiederaufleben des Zinses an Bedeutung gewinnen, bleibt Gold für uns eine der langfristig strategisch wichtigsten Positionen in den Portfolios unserer Mandanten. Der potenzielle Wert als schuldenfreie Währung erscheint uns angesichts ungebremst wachsender Schulden der Staatshaushalte strategisch gegeben. Nicht zuletzt wegen der immer größer werdenden und in schneller Folge aufgelegten Fiskalpakete gegen Coronafolgen, hohe Energiepreise oder Krieg und Wiederaufbau.

Silber zeigte im letzten Quartal einen kräftigen Preisanstieg um rund 25 %. Darin spiegelt sich die positive Preisentwicklung anderer Edelmetalle wider, aber auch die Abwertung des US-Dollar (z.B. um 9 % gegen den Euro im vierten Quartal), die zusätzliche Nachfrage auslöste. Silber ist ein auch unter konjunkturzyklischem Einfluss stehendes Edelmetall. Die hohen Preisschwankungen, die wir 2022 erlebten, sind nicht zuletzt der lange ungewissen globalen Wirtschaftsaussichten geschuldet.

Kryptowährungen und digitale Vermögenswerte

Die Märkte für Kryptowährungen und digitale Vermögenswerte standen im letzten Quartal 2022 unter dem Eindruck des Zusammenbruchs eines großen Dienstleisters in der „digitalen Welt“ (FTX und Alameda).

Mandanten der BPM sind in diese Entwicklungen nicht direkt involviert, jedoch gab es verschiedene kurzfristige Übersprungseffekte, z. B. auf Kryptowährungen, die sich auch in der Wertentwicklung der von uns investierten Anlagen niederschlugen.

Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass Regierungen und Finanzmarktaufsicht die Regulierung des Krypto-Sektors jetzt deutlich entschlossener vorantreiben. Wir sehen dies als wichtigen Schritt für den Prozess des „Erwachsenwerdens“ dieser noch jungen Anlagesparte. Die langfristigen Perspektiven sind für uns weiterhin das beste Argument für frühzeitiges Investieren mit begrenztem Einsatz. Denn viele der Entwicklungen, die wir bei Kryptowährungen und digitalen Vermögenswerten gerade erleben, erinnern uns an die Zeit der Kommerzialisierung des Internets ab Mitte der 1990er-Jahre. Auch zu dieser Zeit entstanden neue Geschäftsideen, von denen einige früh scheiterten, andere aber inzwischen zu den wertvollsten Unternehmen der Welt zählen.

Deutlich zeigt sich auch, dass der von uns gewählte breit diversifizierte Ansatz, den wir für den Einstieg in dieses Anlagesegment gewählt haben, die zweifellos bestehenden Risiken bestmöglich verteilt hat. Selbst nach den Rückgängen 2022 hat unser Krypto-Investment seit Oktober 2020 im Vergleich zu US-Technologieaktien (- 4 %), einem ebenfalls stark schwankungsanfälligen Anlagesegment, über diesen Zeitraum immer noch eine positive Wertentwicklung von + 45 % erzielt.

Was uns in der nächsten Zeit beschäftigen wird

Die „Auferstehung des Zinses“ – Fluch und Segen zugleich

Im vergangenen Jahr endete der noch aus den 1980er-Jahren stammende Trend zu immer niedrigeren Zinsen. Wie schon das plötzliche Losbrechen der lange niedrigen Inflationsraten deutet dies für die Zukunft auf gravierende strukturelle Veränderungen hin.

Renditeentwicklung 5-jähriger US-Staatsanleihen (1962 bis 2022)

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Die Folge der massiv gestiegenen Zinsen, stark fallende Kurse von Bestandsanleihen mit niedrigem Nominalzins, prägten die Entwicklung von Anleiheportfolios in den letzten 18 Monaten.

Inzwischen haben Anleihen mit den heute signifikant höheren Renditen wieder einen Nutzen bei der Portfoliogestaltung – selbst wenn man die langfristig zu erwartenden Inflationsraten einbezieht:

Reale Renditen (Anleiherenditen minus langfristig erwarteter Inflation)

Quelle: Bloomberg (Bloomberg Euro und US Aggregate Total Return Index; 5-Jahres-Forward Inflation USA und Eurozone)Quelle: Bloomberg (Bloomberg Euro und US Aggregate Total Return Index; 5-Jahres-Forward Inflation USA und Eurozone)

Zukünftig verhelfen die positiven realen Renditen Anleihen wieder zu deutlich höherer Attraktivität und ermöglichen Vermögensschutz. Dies war in den letzten Jahren trotz niedriger Inflationsraten nicht mehr der Fall, vor allem nicht in der Eurozone.

Anleihen werden zukünftig in der Portfoliostruktur wieder eine aktive Rolle übernehmen. Risiken aus eventuell noch weiter steigenden Zinsen sowie ein potenzieller Angebotsüberhang am Anleihemarkt durch stark erhöhte Emissionsvolumina von Staatsanleihen und dem erst jetzt wirklich beginnenden nennenswerten Bilanzabbau der Notenbanken müssen jedoch berücksichtigt werden.

Aktien – deutlich günstiger als noch vor einem Jahr

Die starken Kursrückgänge der Aktienmärkte und die nach wie vor auffällig stabilen Gewinne vieler Unternehmen führten zu einer deutlich attraktiveren Bewertung von Aktien. Dies wird zum Beispiel daran deutlich, mit welchem Vielfachen des erwarteten Jahresgewinnes Aktien an der Börse bewertet werden (Aktienkurs geteilt durch erwarteten Jahresgewinn pro Aktie). Hierbei gilt, je niedriger dieser Faktor beim Einstieg in den Aktienmarkt ist, desto günstiger erwirbt ein Anleger Anteile an dem Unternehmen.

Aktienmarktbewertungen Europa und USA, letzte 3 Jahre und seit 2006

Datenquelle: Bloomberg (Europa = DJ Stoxx 600, USA = S&P 500, Gewinne sind die Konsensschätzungen der Gewinne in 12 Monaten)Datenquelle: Bloomberg (Europa = DJ Stoxx 600, USA = S&P 500, Gewinne sind die Konsensschätzungen der Gewinne in 12 Monaten)

Aktien wurden nach diesem Bewertungsmodell im Laufe des Jahres 2022 rund 25 % „günstiger“.

In den Rezessionsphasen wurden bisher Bewertungsfaktoren von 12 bis 14 (USA) und 9 bis 11 (Europa) erreicht. Zu diesen Zeiten allerdings mit einem höheren Zinsniveau.

Wir denken, dass die Restrisiken für weitere Kursrückgänge damit bereits jetzt vergleichsweise gering sind, selbst wenn es doch noch zu einem Konjunkturrückgang kommen sollte. Für strategisch orientierte Investoren ist diese Marktphase erfahrungsgemäß die beste Ausgangsbasis für zukünftige starke Wertzuwächse.

Was Sie von uns erwarten können

2022 gehörte zu den in nahezu jeder Hinsicht schwierigsten Jahren der letzten Dekaden. Tiefgreifende Verunsicherung findet sich in fast allen Lebensbereichen. Dazu gehört das unerwartete Ende von Frieden und äußerer Sicherheit in Europa aber auch die Folgen der häufig zitierten Zeitenwende für die Finanz-, Energie- und Sicherheitspolitik. Alles dies führte weltweit an den Finanzmärkten zu drastischen Wertverlusten. Nur selten zuvor gab es Jahre, die vergleichbare mentale Belastungen für Anleger und Vermögensverwalter brachten.

Wir selbst mussten die beklemmende Erfahrung machen, dass sorgfältige Analysen und folgerichtige Prognosen nur in „normalen“ Zeiten funktionieren. Das Vorhersagen von kurzfristigen Marktentwicklungen, worin wir ohnehin nie viel Sinn gesehen haben, erwies sich in den Umbrüchen des Jahres 2022 als ein fast absurdes Unterfangen. Rationalität und Logik konnten vergangenes Jahr nicht helfen.

Vermögensschutz steht für uns weiter an erster Stelle und wir verstehen dies „real“ und langfristig. Unser Ziel ist, dass Inflation den von uns verantworteten Vermögen keinen Schaden zufügen kann. Den Erfolg unserer Anstrengungen werden wir unvermeidlich erst in der Zukunft messen können. Klar ist aber auch: Die Ergebnisse des zurückliegenden Jahres stellen uns als ambitionierten Vermögensgestalter noch lange nicht zufrieden.

Die Finanzmarktgeschichte zeigt aber auch, dass gerade in Phasen des Umbruchs, so wie wir sie jetzt gerade erleben, die Weichen für den Erfolg in der Zukunft gestellt werden. Daher bitten wir Sie um Geduld und Vertrauen in unsere Fähigkeiten, die langfristig richtigen Entscheidungen für ihr uns anvertraute Vermögen zu treffen.

In diesem Sinne wünschen wir allen Mandanten und Geschäftspartnern der BPM ein erfolgreiches neues Jahr.

Uwe Günther

Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der BPM - Berlin Portfolio Management GmbH.

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