Rückblick auf das 2. Quartal 2022 und Ausblick

 

„Lege niemals alle Eier in einen Korb“

Harry M. Markowitz (*1927), US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger von 1990

Wir können mit großer Sicherheit annehmen, dass der Rat, mit dem der spätere Nobelpreisträger Markowitz seine wissenschaftliche Arbeit zusammenfasste, nicht nur denjenigen, die sich mit Landwirtschaftsprodukten beschäftigen, schon lange zuvor bekannt war. Dennoch wurde erst durch die Arbeiten von Markowitz diese im Grunde triviale Alltagsweisheit zu einem geflügelten Begriff in der Finanzwelt.

Bild: Pixabay 1671574

Markowitz war 1952 der Erste, der mathematische Grundlagen zum Aufbau von effizienten Anlage-portfolios beschrieb. Sein Ziel war es, systematisch ein optimales Verhältnis zwischen Risiko und Ertrag herzustellen. Sein damals revolutionärer Ansatz führte weg von einer „naiven“ Diversifikation, bei der Aktien und Anleihen in einem Portfolio recht wahllos miteinander kombiniert werden.

Eine der zentralen Überlegungen von Markowitz ist, die typischen Gewinn- und Verlustphasen einzelner Anlagen so aufeinander abzustimmen, dass es möglichst nie zu einer gleich gerichteten Wertentwicklung aller Anlagen kommt. Im Idealfall sollen besonders negative Einzelentwicklungen von besonders positiven ausgeglichen werden. Dadurch soll das gesamte Portfolio weniger extremen Wertschwankungen unterliegen und auf längere Sicht ein unter Rendite- und Risikogesichtspunkten besseres Ergebnis erzielen. In der Welt der Vermögensverwaltung gilt dieses Konzept seit Jahren als Basiswissen und erreicht auch meistens das erwartete Ziel.

Allerdings hat das vergangene Quartal schmerzhaft gezeigt, dass alle Theorie manchmal grau ist, wie auch schon Johann Wolfgang von Goethe bemerkte.“Grau, mein Freund, ist alle Theorie…“, aus „Faust - der Tragödie erster Teil“

Auch wenn wir nicht „alle Eier in einen Korb“ gelegt haben, erlebten wir den seltenen Fall eines fast vollständig negativen Gleichlaufs aller Anlageformen in den Portfolios. Der in einem diversifizierten Portfolio eigentlich zu erwartende Ausgleichseffekt schien außer Kraft gesetzt zu sein.

Schon in der Vergangenheit trat dieses Phänomen auf, das nicht die grundsätzliche Richtigkeit der Theorie von Markowitz in Frage stellt. Schockartige Ereignisse führen dazu, dass die Stimmung an den Finanzmärkten „kippt“, die Anleger Angst bekommen und zunächst einmal die Flucht ergreifen. Dabei spielen rationale Überlegungen zu Wert oder langfristiger Perspektive plötzlich keine Rolle mehr.

Wie die folgende Grafik zeigt, kann das Jahr 2022 im Hinblick auf „Gleichlauf“ (mathematisch korrekt „Korrelation“) wohl schon jetzt als ein negatives Ausnahmejahr betrachtet werden:

Wertentwicklung verschiedener Anlagen auf Quartalsbasis (2016 bis 2022)

Quelle: Bloomberg, eigene BerechnungQuelle: Bloomberg, eigene Berechnung

Wie man an der Farbverteilung (rot = negative Quartale) zu erkennen ist, kommt es nicht häufig vor, dass sich in einem Quartal sämtliche Anlagen positiv (zuletzt 2020 nach dem vorherigen starken Rückgang aufgrund des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie) oder negativ entwickeln (wie beispielsweise 2018 beim letzten Versuch der US-Notenbank FED die Zinsen zu erhöhen).

Diversifikation wird auch in Zukunft das beste Mittel bleiben, um Anlagerisiken auf Portfolioebene zu steuern. Dessen ungeachtet müssen wir feststellen, dass im zweiten Quartal daraus keine nennenswerten Effekte erzielt werden konnten.

Rückblick auf das zweite Quartal

Es waren einige schwerwiegende Ereignisse dafür verantwortlich, dass die Anleger in praktisch allen Anlagemärkten vorerst der Mut verließ.

Die Fortsetzung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine führte neben erschütternden Meldungen über Zerstörung und menschliches Leid auch zu weitreichenden Störungen des internationalen Handels, insbesondere im Agrarsektor. Allein die zu befürchtenden Lieferausfälle bei Getreideprodukten haben die Weltmarktpreise schnell ansteigen lassen. Dazu kam, dass auch die Zulieferung von industriellen Vorprodukten an europäische Abnehmer zeitweise ausfiel und auch jetzt nur reduziert und unter einigen Schwierigkeiten aufrechterhalten werden kann.

Scharfe Sanktionen gegen Russland und Liefereinschränkungen für russisches Öl, Gas und Kohle führten dazu, dass steigende Energiepreise im zweiten Quartal die Inflationsentwicklung erneut stark antrieben. Bisher kam es von Seiten Russlands bereits vereinzelt zu Liefereinstellungen von Öl und Gas für einige EU-Staaten. Eine absichtlich herbeigeführte Verknappung von Energie wird dabei von der russischen Regierung als politische Waffe und als Vergeltung für die immer weiter reichenden Sanktionen des Westens genutzt.

Die damit entstehende Versorgungsunsicherheit ist für die europäische Wirtschaft und gerade für die deutsche Industrie zu einem erheblichen Unsicherheitsfaktor geworden. Um die starke Abhängigkeit von Russland zu beenden, ohne dabei kurzfristig größere Einschränkungen bei der Energieversorgung zu riskieren, sind massive Anstrengungen und hohe Ausgaben zur Vorbereitung auf einen wahrscheinlich noch folgenden kompletten Lieferstopp notwendig. Ob dies tatsächlich gelingen kann, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht vollkommen klar. Das Szenario würde für Deutschland sehr wahrscheinlich bedeuten, in eine schwere Rezession abzurutschen.

Das erneute Auftreten von Covid-19-Fällen hat in Chinas wirtschaftlich wichtigsten Regionen zu massiven Einschränkungen für Bürger und Unternehmen geführt. Die von der chinesischen Regierung verfolgte Null-Covid-Strategie, bei der mit dem Auftreten erster Infektionen bereits ein vollständiger Lockdown in den betroffenen Regionen verhängt wird, hat erneut zu wochenlangen massiven Produktions- und Lieferengpässen geführt. Diese strahlten sofort in die globale Wirtschaft aus und werden noch für geraume Zeit die schon zuvor bestehenden Probleme in Zulieferer- und Logistikketten verstärken.

Der Einflussfaktor mit der zurzeit stärksten negativen Wirkung auf die Finanzmärkte sind die Inflationsdaten. Diese beeinflussen nicht nur die Ausgabefreudigkeit von Konsumenten und Unternehmen, sondern sind auch ein wichtiger Orientierungspunkt für die Geldpolitik der Notenbanken. Auch im zweiten Quartal hielt die ungebremste Aufwärtsentwicklung der Preise von Konsum- und Investitionsgütern an und führte zu einer Eintrübung der Konjunkturerwartungen.

Die Verbraucherpreisinflation stieg in den USA im Mai auf 8,6 % und in der Eurozone auf 8,1 %. Werte, die so seit vier Jahrzehnten nicht mehr verzeichnet wurden und die voraussichtlich auch nicht kurzfristig wieder sinken werden. Darauf deuten die ebenfalls stark angestiegenen Preise auf Produzentenebene an, die sich zum Beispiel in Deutschland im Mai im Vergleich zum Vorjahr um 33,6 % erhöhten. Steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise, aber auch die konstant hohe Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen sowohl bei Privathaushalten als auch Unternehmen hält den Preisauftrieb vorerst hoch. Kommende Lohnverhandlungen werden von dem schon erlittenen Kaufkraftverlust, aber auch von dem nach wie vor hohen Bedarf an Arbeitskräften geprägt werden. Die Gefahr einer Lohn-Preisspirale besteht unverändert fort.

Inzwischen gibt es, vielleicht mit Ausnahme der Bank of Japan, auch keine Notenbank mehr, die die Nachhaltigkeit des Inflationstrends in Frage stellt. Zu viel Zeit haben die US-FED und mehr noch die EZB verstreichen lassen, bevor sie sich zu geldpolitischen Maßnahmen wie Leitzinserhöhungen und der Verringerung oder Beendigung von Anleihekaufprogrammen entschlossen haben.

Das lange Zögern und Verdrängen hat dazu geführt, dass die für Finanzmärkte ohnehin immer sehr problematische Umstellungsphase hin zu steigenden Zinsen noch durch einen erheblichen Vertrauensverlust in den Willen und die Fähigkeiten der Notenbanken zur Inflationsbekämpfung verschärft wurde.

Wir führen einen großen Teil der im zweiten Quartal verzeichneten Markteinbrüche auf die Stimmungsbelastungen durch das wenig gekonnte Agieren der Notenbanken zurück. Nach der Sorge über das Verdrängen der Inflation folgt nun die Angst vor einem Überziehen der Maßnahmen, das bis hin zur Erwartung einer „harten Landung“ der Wirtschaft, also einem heftigen Konjunktureinbruch reicht.

Zumindest die US-Notenbank FED hat inzwischen konkrete Schritte mit deutlichen Leitzinserhöhungen und einem definierten Vorgehen beim Bilanzabbau auf den Weg gebracht und versucht auf diese Weise, die Kontrolle zurückzugewinnen.

Die Europäische Zentralbank dagegen hat bis Ende des zweiten Quartals abgesehen von zahlreichen Redebeiträgen, in die Öffentlichkeit getragene interne Diskussionen und vage Absichtserklärungen keine aktiven geldpolitischen Schritte gegen die Inflation unternommen. Damit steht sie nicht nur in scharfem Kontrast zur US-Notenbank, sondern auch zur Bank of England, der Schweizer Nationalbank oder den Zentralbanken skandinavischer und osteuropäischer Länder, die alle bereits mit deutlichen Zinserhöhungen vorausgelaufen sind.

Aktienmärkte erlitten im zweiten Quartal Kursrückgänge, die in vielen Fällen zu den stärksten jemals verzeichneten Verlusten gehören:

Entwicklung ausgewählter Aktienmärkte 2022

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

In einem sogenannten „Bärenmarkt“, bei dem nach der üblichen Definition Kursverluste von mehr als 20 % seit dem letzten Hoch vorliegen müssen, befanden sich Ende des ersten Halbjahres 2022 nahezu alle großen Aktienmärkte. Einzelne Aktienindizes, wie zum Beispiel der traditionell sehr technologielastige amerikanische NASDAQ Composite-Index, lagen teilweise noch deutlich tiefer in der Verlustzone (- 29,5 % im laufenden Jahr).

Als negative Verstärker der für die Unternehmen ohnehin belastenden Faktoren wie Lieferkettenprobleme, Sanktionen oder steigende Arbeitskosten wirkten die stark gestiegenen Zinsen. Diese lösen einen Rückgang des aktuellen Aktienwertes aus, da die in der Zukunft erwarteten Gewinne der Unternehmen mit einem höheren Zinssatz diskontiert werden müssen. Hinzu kommt, dass Anleihen aufgrund gestiegener Renditen im direkten Vergleich zu Aktien und ungeachtet der gegenwärtig noch sehr guten Auftrags- und Ertragslage in den meisten Unternehmen, wieder attraktiver erscheinen. Dies erhöht den Druck auf die Aktienkurse zusätzlich.

Letztlich ist auch die sehr reale Gefahr, dass die Konjunktur aufgrund gestiegener Finanzierungskosten (Zinserhöhungen) in eine Rezession abzurutschen droht, Teil der gegenwärtigen geringeren Marktbewertung von Aktien.

Minenaktien, in unseren Portfolios in verschiedenen Formen vertreten, schnitten besser ab als der Marktdurchschnitt, konnten sich aber trotz massiv gestiegener Rohstoffpreise und damit steigender Gewinnaussichten nicht komplett von der negativen Gesamtaktienmarktentwicklung abkoppeln. Unter den Aspekten Substanzbewertung und Nachfrageüberhang bei Rohstoffen bleiben Minenaktien aus unserer Sicht weiterhin sehr attraktive Investments.

Ebenfalls besser als der Gesamtmarkt, wenn auch im ersten Halbjahr nicht frei von rückläufigen Kursen, war die Entwicklung bei Aktien aus dem Biotechnologie- und Gesundheitsbereich, die wir im Rahmen unserer thematischen Aktieninvestments in den Portfolios halten.

Chinesische Aktien litten einerseits unter dem Einbruch der Inlandskonjunktur, der von der Null-Covid-Politik ausgelöst wurde. Andererseits machte sich zuletzt vereinzelt Hoffnung breit, dass die chinesische Regierung die drakonischen Markteingriffe und Regulierungskampagnen, die seit über einem Jahr auf dem chinesischen Markt lasten, zurückfahren könnte. Diese Aussicht führte im Juni zu einer ersten Erholung der zuvor kräftig gefallenen Kurse.

Die geopolitische Positionierung Chinas, ungelöste Probleme im Immobiliensektor wie auch die nach wie vor unklare Haltung der Regierung zu marktwirtschaftlichen Grundprinzipien lässt uns von Investitionen in den chinesischen Aktienmarkt trotz interessanter Bewertungsniveaus und langfristiger Wachstumsausschichten weiter Abstand nehmen.

Anleihen gehören für uns aufgrund der schon seit längerer Zeit negativen realen Renditen nicht mehr zum Kern unserer Portfolios. Lediglich in einigen Randsegmenten halten wir noch ein Engagement. Bislang haben daran die gestiegenen Renditen am Anleihemarkt nichts geändert, da die Inflationsraten zeitgleich noch stärker angestiegen sind. Trotz unserer weitgehenden Abstinenz von Zinsanlagen beeinflusst die Entwicklung der Anleihemärkte mittelbar einige Bestandteile unserer Portfolios, bis hin zu den Alternativen Anlagen.

Entwicklung ausgewählter Anleihenmärkte und Hedgefonds 2022

 

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Anleihen erleben derzeit die mit Abstand stärkste Verlustphase der letzten Jahrzehnte. Der in folgender Grafik abgebildete Anleihemarktindex (Bloomberg Global Aggregate Total Return Index) zeigt beispielhaft die Wertentwicklung eines großen Teils der weltweit begebenen Anleihen mit Investment Grade-Rating in der Währung US-Dollar.

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Dieser Index befindet sich im laufenden Zyklus, gemessen vom letzten Hoch Ende 2020, inzwischen über 18 % im Minus (Rote Flächen in der Grafik) – Zinszahlungen eingeschlossen. Anders ausgedrückt: Die Gewinne der letzten 5 Jahre wurden durch den aktuellen Markteinbruch aufgezehrt. Unsere frühzeitige Reduktion von Anleihen in den Portfolios hat sich damit bislang als eine sehr glückliche Entscheidung herausgestellt.

Auch Anlagen in Rohstoffen, Energie und Edelmetallen zeigten im zweiten Quartal keine positiven Wertentwicklungen. Selbst bei weiterhin nachgefragten Industrierohstoffen wie Kupfer oder Lithium setzte sich der Preisanstieg nicht fort. Die Erwartung von Nachfragerückgängen angesichts erhöhter Rezessionsgefahren spielen hierbei bereits eine Rolle.

Entwicklung ausgewählter Edelmetalle, Energie und Rohstoffe 2022

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Gold konnte über das zweite Quartal seiner ihm im Portfolio zugedachten Funktion des „Wertbewahrers“ nur teilweise gerecht werden. Die stark gestiegenen Zinsen in den meisten Ländern der Welt führten zu rückläufiger Nachfrage nach Gold wegen dessen fehlender laufender Erträge. Zumindest während der starken Kursrückgänge im Juni zeigte sich, dass Gold auch in Phasen größter Unsicherheit als liquides Wertaufbewahrungsmittel weiterhin funktioniert. Der von den heftigen Marktschwankungen ausgelöste Liquiditätsbedarf spekulativer Anleger (sogenannte „Margin Calls“) konnten vom Goldmarkt gedeckt werden, ohne weitere Preisrückgänge zu verursachen. Ein kleiner Trost für Euro-Anleger ist, dass durch die ausgeprägte Euroschwäche zum US-Dollar Gold seit Jahresanfang eine positive Wertentwicklung von + 7,1 % (in Euro) aufweist.

Kryptowährungen und digitale Vermögenswerte

Kryptowährungen und digitale Vermögenswerte erlebten im ersten Halbjahr 2022 starke Rückschläge. Unabhängig von den zukunftsweisenden Eigenschaften der Technologie gerieten digitale Vermögenswerte und die mit ihnen verbundenen Aktien unter starken Druck. Dies sehen wir jedoch mehr als eine Folge der zeitweise zu beobachtenden „Ausverkaufsstimmung“ im Technologiesegment, als das dies bei uns Zweifel an der langfristigen Bedeutung auslösen würde.

Ein vergleichender Blick auf die Entwicklung der letzten 3 Jahre zeigt, dass Kryptowährungen (+ 235 % im Bloomberg Galaxy Crypto Index) im Vergleich zu Technologieaktien (+ 66 % im NASDAQ Composite Index) trotz heftigster Preisschwankungen eine im Ergebnis auch sehr renditestarke Anlage darstellten.

Kryptowährungen und Technologieaktien – Vergleich seit 2019

 

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Kryptowährungen wurden nachrichtenseitig unter anderem von negativen Meldungen zu einem gescheiterten algorithmischen Stablecoin (TerraUSD) belastet, die nicht Gegenstand unserer Investitionen sind, aber starke Rückwirkungen auf den Gesamtmarkt hatten. Auch eine sich nun immer stärker abzeichnende Regulierung von Kryptowährungen, die im Interesse der Investierbarkeit in unserem Sinne ist, beendete zunächst die ungezügelten Preisanstiege und vertrieb viele der nur spekulativ interessierten Anleger.

Unser vorsichtiger Ansatz in den vergangenen 1 ½ Jahre immer wieder durch Gewinnrealisierungen das Investment auf eine im Portfolio verträgliche Gewichtung zurückzunehmen, erwies sich damit erneut als richtig.

Was uns in der nächsten Zeit voraussichtlich beschäftigen wird

Die folgende Auswahl ist wieder nur ein kleiner Ausschnitt aus den Themen, die wir in unserem Anlageprozess ständig beobachten und bewerten müssen. Für uns sind es einige der aktuellen Schlüsselfragen zu einer erfolgreichen und zukunftsfähigen Portfoliogestaltung.

  • Werden Aktien bald schon so günstig sein, dass man sie als wertorientierter Anleger wieder kaufen kann?

    Kursverluste in großen Marktindizes von über 20 % zur Jahresmitte werfen die Frage auf, ob diese Rückgange bereits ausreichend sind, um eine längerfristig attraktive Anlage zu tätigen. Tatsächlich haben die Kursrückgänge der letzten Monate bei gleichzeitig weitgehend stabiler Umsatz- und Gewinnentwicklung der Unternehmen schon zu einer höheren Attraktivität des Aktienmarktes geführt. Anhand des Kurs-Gewinnverhältnisses (Aktienkurs dividiert durch den auf eine Aktie entfallenden Anteil am Unternehmensgewinn) und der Abweichung von einem Mittelwert lässt sich dies darstellen:

    Bewertungsniveau Aktien am Beispiel USA (S&P 500-Index)

    Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

    Mit einem Kurs-Gewinnverhältnis von aktuell 19,1 liegt dieser Wert etwas unter dem Durchschnitt der vergangenen 22 Jahre (19,6). Im Vergleich zum Jahresanfang 2022 (mit einem Kurs-Gewinnverhältnis von 24,6) sind Aktien damit heute bereits deutlich preisgünstiger, ohne allerdings schon als wirkliche „Schnäppchen“ gelten zu können.

    Insbesondere die Frage, ob es den Unternehmen gelingen wird, steigende Kosten in Form höherer Preise an ihre Kunden weiterzugeben, wird für die Höhe und Entwicklung der Unternehmensgewinne in den nächsten Monaten entscheidend sein. Dies wird auch ein wesentlicher Betrachtungspunkt in den Unternehmensberichten zu Beginn des 3. Quartals und für die dann folgenden Gewinnschätzungen sein. Reduzierungen würden die Bewertungsverhältnisse zunächst wieder verschlechtern.

    Das tiefere Bewertungsniveau hat die Gefahr noch weiter gehender Kursrückschläge bereits reduziert, auch in Verbindung mit den ebenfalls stark angestiegenen Zinserwartungen.

    Auf Käufe, um von einer schnellen Markterholung profitieren zu können und dies gegebenenfalls auch ohne langfristige Halteabsicht, sind wir jedenfalls vorbereitet.

  • Wie weit werden die Notenbanken mit ihrem aggressiven Zinserhöhungskurs gehen können?

    Die Anleihemärkte haben mit den heftigen Kursverlusten der letzten 12 Monate bereits massiv auf die erforderlichen Leitzinserhöhungen reagiert und diese „eingepreist“. Dabei entstehen automatisch auch Erwartungen über die nächsten Schritte der Notenbanken.

    In der folgenden Tabelle sind die aus den Zinsterminmarktpreisen abgeleiteten Markterwartungen zur Leitzinsentwicklung in den USA und der Eurozone dargestellt:


    Markterwartungen Leitzinsen Ende Juni 2022
      USA  Eurozone
    im… von 1,59% auf… von - 0,58% auf…
    Jul. '22 2,26% -0,29%
    Sep. '22 2,81% 0,20%
    Nov. '22 3,19% 0,59%
    Dec. '22 3,38% 0,91%
    Für Ende 2022 sind in den USA bereits weitere Leitzinserhöhungen um 1,8% und in der Eurozone von 1,5% als Erwartung in den aktuellen Kursen verankert und damit in ihrer Wirkung bereits vorweggenommen.

    Quelle: Bloomberg, Stand 30.6.22

    Sollten die Notenbanken gezwungen sein, beispielsweise weil ein massiver Einbruch der Konjunktur droht oder weil das hohe Zinsniveau für einige Staaten nicht mehr tragbar wird, mit einem Ende der Zinserhöhungen oder einer deutlichen Verlangsamung zu reagieren, dürfte dies zu einer schnellen Wendung der Marktstimmung führen. Starke Kursgewinne in kurzer Zeit bei fast allen Anlageformen wären dann zu erwarten. Nicht zuletzt, da die Währungsräume USA und Eurozone nach wie vor mit sehr viel Liquidität versorgt sind.

    Aus unserer Sicht besteht für solch baldige „Wendung“ inzwischen eine hohe Wahrscheinlichkeit, sodass wir für diese Entwicklung bereits konkrete Investitionen vorgeplant haben.

  • EUROKRISE 2.0 in Sicht?

    Mit einiger Überraschung nahmen wir die Sondersitzung des EZB-Rates am 15. Juni zur Kenntnis. Ein schon zuvor auffälliger Kursrückgang (= Zinsanstieg) für die Staatsanleihen Italiens an den Anleihemärkten scheint der Grund für das Treffen gewesen zu sein. Der Renditeabstand zwischen 10-jährigen deutschen Bundesanleihen und italienischen Staatsanleihen hatte sich kurz zuvor sprunghaft auf bis zu 2,4 % p.a. erhöht. Erinnerungen an die Eurokrise von 2012 wurden wach, die vom damaligen EZB-Chef (und heutigen italienischen Ministerpräsidenten…) Mario Draghi mit den berühmt gewordenen Worten „whatever it takes“ unter Kontrolle gebracht wurde, in dem er kurzerhand die Bilanz der EZB zum Aufkauf von Anleihen hochverschuldeter Eurostaaten bereitstellte.

    Heute geht es der EZB darum, eine „Fragmentierung der Eurozone“ (oder genauer: ihrer bonitätsmäßig sehr unterschiedlichen Schuldner) zu verhindern. Hierfür will man ein neues „Anti-Fragmentierungsinstrument“ schaffen, das über direkte Kapitalmarkteingriffe (umfangreiche Anleihekäufe, dieses Mal aber ganz gezielt zugunsten von Ländern mit dem höchsten Finanzierungsbedarf, wie z.B. Italien) die Finanzierungskosten möglichst niedrig, die Schulden damit bedienbar und den Euro als Währung am Leben erhalten soll.

    Teile des Kapitalmarktes könnten dies als Einladung betrachten, wieder einmal massiv gegen den Fortbestand des Euro zu spekulieren, wenn schon bei einer Rendite italienischer Staatsanleihen von nur wenig über 4 % bei der EZB die Abwehrreflexe einsetzen.

Was Sie von uns erwarten können

Die derzeitige Lage der Finanzmärkte fordert sowohl Anlegern als auch Vermögensgestaltern wie der BPM sehr viel Nervenkraft ab. Kursverluste, selbst wenn sie zunächst nur auf dem Papier erscheinen, lösen beim Betrachter immer Zweifel oder sogar Selbstvorwürfe aus, bis hin zu Angst.

So individuell schwer es jedem fallen mag - das Bewältigen dieser Emotionen ist zwingend notwendig, um den Blick auf die wirklich relevanten und langfristig wirksamen Entwicklungen nicht zu verlieren.

Gerade in den letzten Wochen bekamen wir allzu deutlich vor Augen geführt, dass die „Zeitenwende“, die wir noch in unserem Rückblick auf das 1. Quartal 2022 thematisiert haben, auch für die Kapitalmärkte gilt. Es gilt sich auf ein Umfeld mit höherer Inflation, höheren Zinsen, aber voraussichtlich weiterhin negativem Realzins, knappen Ressourcen und strukturell niedrigeren Marktbewertungen einzustellen. Wir sind überzeugt davon, dass auch unter diesen Umständen nur kluges und vorausschauendes Handeln der Schlüssel zum langfristigen Anlageerfolg ist.

Für uns als Vermögensgestalter ist der Ausgangspunkt jeder Entscheidung eine realistische Einschätzung der Lage, der Risiken und der wahrscheinlichsten Entwicklungsszenarien. Dabei diszipliniert und möglichst unbeeinflusst von der täglichen Aufgeregtheit und Hektik der Finanzmärkte zu bleiben, halten wir für eine unserer wichtigsten Stärken.

Denn nur so ist es möglich, die Portfolios unserer Mandanten so aufzustellen, dass sie den wirklich erfolgsentscheidenden langfristigen Trends folgen können.

In diesem Sinne können wir unseren Mandanten versprechen, dass wir entschlossen handeln werden, sobald uns die Zeit reif dafür erscheint.

Uwe Günther

Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der BPM - Berlin Portfolio Management GmbH.

Disclaimer

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken und zur Nutzung durch den Empfänger. Sie stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der BPM - Berlin Portfolio Management GmbH zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Investmentfonds dar. Die in der vorliegenden Publikation enthaltenen Informationen wurden aus Quellen zusammengetragen, die als zuverlässig gelten. Die BPM - Berlin Portfolio Management GmbH gibt jedoch keine Gewähr hinsichtlich deren Zuverlässigkeit und Vollständigkeit und lehnt jede Haftung für Verluste ab, die sich aus der Verwendung dieser Information ergeben.

zurück zur vorherigen Seite