Rückblick auf das 4. Quartal 2021 und Ausblick 2022

Digitale Vermögenswerte – nur ein neuer Hype oder doch echter Wandel?


„Das Internet ist eine Spielerei für Computerfreaks, wir sehen darin keine Zukunft“

Ron Sommer im Jahre 1990, später Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom AG (1995 bis 2002)

Natürlich ist es immer leicht mit dem Abstand von einigen Jahrzehnten eine Aussage, die sich auf die damals noch unbekannte Zukunft bezog, als großen Irrtum zu bezeichnen. Es zeigt aber auch, wie leicht es geschehen kann, dass wirklich weichenstellende Entwicklungen nicht, oder erst spät, als solche erkannt werden. Zur Ehrenrettung von Ron Sommer sei auch erwähnt, dass er in seiner Zeit bei der Deutschen Telekom die Bedeutung des Internet sehr wohl erkannt und zu einem zentralen Geschäftszweig des Konzerns gemacht hat.

1990 das Internet – 2022 die Blockchain?

Eine Frage wie 1990 die zum Entwicklungspotential des Internet, ist heute die Bedeutung der Blockchain-Technologie. Sie ermöglicht es mithilfe einer dezentral geführten und veränderungssicher verschlüsselten Datenbank ohne zwischengeschaltete Vermittler und ohne auf einem staatlichen Rechtsakt zu basieren, Verträge und deren exakte und automatisierte Ausführung unmittelbar zwischen allen Beteiligten zu garantieren. Konsequent zu Ende gedacht und umgesetzt ermöglicht diese Technik eine enorme Vereinfachung von Prozessen in der Wirtschaft mit erheblichen Vorteilen bei Sicherheit, Transparenz sowie Zeitbedarf und Kosten.

Heute ist schon absehbar, dass die Blockchain-Technologie in naher Zukunft das Bezahlen (Kryptowährungen, Stablecoins und digitale Zentralbankwährungen), das Besitzen (Security Token und Non-fungible Token) und das Benutzen (Smart Contracts) von realen und virtuellen Gegenständen und Vermögenswerten deutlich verändern wird.

Digitale Kunst – ein noch sehr junges Beispiel für Vermögenswerte in der Blockchain

BlockchainAusschnitt aus „EVERYDAYS: THE FIRST 5000 DAYS” Mike Winkelmann (Künstlername „Beeple“) Quelle: www.christies.comAusschnitt aus „EVERYDAYS: THE FIRST 5000 DAYS” Mike Winkelmann (Künstlername „Beeple“) Quelle: www.christies.com

Die Collage, bestehend aus 5.000 jeweils an einem Tag erschaffenen Bildern mit oft sehr skurrilen Motiven, gilt als das bislang teuerste rein digitale Kunstwerk und wurde im März 2021 als NFT (Non-fungible Token, ein transparentes und manipulationssicheres System zur Sicherung von Nutzungs- oder Eigentumsrechten auf Basis der Blockchain-Technologie) in einer spektakulären Auktion bei Christie’s für 42.329,45 Ether (die Kryptowährung der Ethereum-Blockchain) versteigert. Dies entsprach zum damaligen Zeitpunkt rund 69,3 Millionen USD. Heute sind es schon über 180 Millionen USD, allein dank des Anstiegs von Ether und unabhängig von einem potenziellen Wertzuwachs des digitalen Kunstwerkes selbst. Wer dabei jetzt denkt „Spekulationsblase!“ hat sicherlich nicht ganz unrecht. Aber Beispiele für absurd hoch anmutende Kaufpreise finden sich auch im klassischen Kunstmarkt für reale Kunstwerke. Letztlich ist Wert immer das, was ein Käufer zu zahlen bereit ist.

Dieser NFT soll zukünftig in einem ausschließlich virtuell begehbaren Museum zu besichtigen sein und dem Betrachter dabei vollkommen neue Eindrücke ermöglichen, egal in welchem Teil der Welt man sich beim „Museumsbesuch“ dann in der Realität gerade aufhält. Die Eintrittskarte kauft man dann mit einer Blockchain-basierten Anwendung und bezahlt (natürlich) mit digitalem Geld.

Was vielleicht noch etwas verrückt anmutet, zeigt auch, in welche Richtung sich das Internet gerade sonst noch entwickelt – hin zu einer virtuellen Welt („Metaversum“). Diese virtuelle Welt wird weit über das hinausgehen, was zum Beispiel die Nutzer von Videospielen heute bereits kennen und hat dabei ein nicht zu unterschätzendes wirtschaftliches Potenzial. Virtuelle Museums- oder Konzertbesuche sind dabei eher noch als bescheidene Anfänge zu sehen. Die ehrgeizigen Pläne von Technologieunternehmen wie Meta Platforms (bis vor Kurzem noch als „Facebook“ bekannt) oder Microsoft, aber selbst die von Luxusmarken wie LVMH oder Gucci weisen darauf hin, welche Zukunftsperspektiven sich hinter dieser Entwicklung verbergen.

Obwohl es noch viele offene Fragen und nur wenig Gewissheit gibt, macht es nach unserer Überzeugung bereits heute Sinn, als Anleger erste vorsichtige Schritte in diese „neue Welt“ hinein zu wagen.

Realistisch müssen wir davon ausgehen, dass wir noch verschiedene Wendungen erleben werden. Eine zu frühe und zu einseitige Festlegung auf bestimmte Anwendungsformen ist noch nicht sinnvoll. Wichtig ist auch, dass wir uns nicht allein von Begeisterung blenden lassen. Denn wie schon so oft bei neuen Technologien gilt „Amaras Gesetz“ (benannt nach dem US-Zukunftsforscher Roy Amara, der beschrieb, dass Menschen dazu neigen, die Wirkung neuer Technologien kurzfristig zu überschätzen und auf lange Sicht zu unterschätzen).

Themeninvestments – gezielte Nutzung von Zukunftstrends und besonderen Opportunitäten

Digitale Vermögenswerte und deren Basis, die Blockchain-Technologie, sehen wir am Anfang einer noch viele Jahre fortdauernden Entwicklung. Von technischen Aspekten über wirtschaftliche Nutzungsformen bis hin zu Fragen der gesellschaftlichen Folgewirkungen werden die nächsten Jahre Veränderungen und einen starken Wandel in allen Lebensbereichen bringen. Die damit einhergehenden Investitionschancen möchten wir für unsere Mandanten frühzeitig erschließen.

Wir haben daher bei allen Mandaten, deren Anlagerichtlinien dies zulassen, Anfang Dezember eine mit bis zu 3 %-Portfolioanteil gewichtete Position in einem Aktien-ETF erworben, der in Unternehmen investiert, deren Geschäft im direkten Zusammenhang mit der Entwicklung der digitalen Vermögenswerte steht.

Zuvor haben wir die bereits seit 2020 bei den meisten Mandaten bestehende Anlage in einem Korb von Kryptowährungen ein weiteres Mal und wiederum mit ansehnlichen Kursgewinnen reduziert. Wir folgen damit unserer Absicherungsstrategie, bei der wir nach einem stärkeren Kursanstieg diszipliniert die ursprünglichen Gewichtungen im Portfolio durch Teilverkäufe wieder herstellen.

Kryptowährungen waren 2021 unter den Anlagen mit der besten Wertentwicklung, aber auch mit der höchsten Wertschwankung:

Indexierte Wertentwicklung der größten Kryptowährungen 2021 (in USD)

Quelle: BloombergQuelle: Bloomberg

Wir messen dieser Anlage einen unverändert hohen strategischen Wert bei. Neben dem hohen Wachstumspotenzial sind Kryptowährungen für uns auch im Portfoliozusammenhang sowohl als Diversifikation innerhalb der risikotragenden Anlagen als auch als alternativer Wertspeicher in Zeiten starker geld- und geopolitischer Risiken von Bedeutung.

Rückblick auf das vierte Quartal

Das vierte Quartal brachte in allen unseren Strategien den positiven Abschluss eines herausfordernden aber dennoch erfolgreichen Anlagejahres. Als Wermutstropfen kann gelten, dass die außerordentlich gute Entwicklung bis Ende Oktober sich nicht in allen Anlageformen und -regionen bis zum Jahresende fortsetzte.

Die meisten Aktienmärkte erreichten bis Mitte November ihre bisherigen Höchststände, um danach in eine Korrektur- bzw. Seitwärtsbewegung überzugehen. Diese wurde hauptsächlich ausgelöst von noch stärkerem Inflationsanstieg und einer damit vorherrschenden Erwartung baldiger Leitzinserhöhungen sowie vom Auftauchen der neuen Omikron-Virusvariante. Letztere zeichnet auch für den in diesem Jahr stärksten kurzfristigen Aktienmarkteinbruch verantwortlich, der meist erst in den letzten zwei Dezemberwochen ausgeglichen werden konnte. Weiteren Gegenwind lieferten deutliche Preisanstiege für Energie (vor allem Rohöl und Erdgas) und die gehäuft aufkommenden Warnungen vor einem Konjunkturrückschlag, der auch mit den sich verschärfenden Stockungen in den Lieferketten in inzwischen fast allen Branchen begründet wurde.

Entwicklung ausgewählter Aktienmärkte 2021

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Neben den überdurchschnittlich guten Entwicklungen der Aktienmärkte in den USA von + 27 % und in der Eurozone von + 21 % fallen vor allem Japan mit + 4,9 % und China - 5,7 % (bzw. - 15 % für in Hongkong notierte chinesische Titel) aus dem Rahmen.

Der japanische Hauptindex Nikkei 225 erreicht mit seinem vergleichsweise moderaten Anstieg erst jetzt wieder sein Niveau aus dem Jahr 1990. Dies ist zu vergleichen mit einem Zuwachs von mehr als 1.300 % beim amerikanischen S&P 500-Index oder über 800 % beim deutschen Aktienindex im gleichen Zeitraum. Darin zeigen sich die Folgen eines jahrzehntelangen unterdurchschnittlichen realen Wirtschaftswachstums in Japan (+ 32 % in den vergangenen 30 Jahren verglichen mit + 98 % in den USA) aufgrund einer Vielzahl von strukturellen Problemen, die bislang nicht überwunden werden konnten.

Chinesische Aktien, die 2021 unter einer beispiellosen Regierungskampagne zur Machtdemonstration gegen einzelne Unternehmen und Branchen litten, konnten sich im letzten Quartal stabilisieren. Trotz einer sich abschwächenden chinesischen Wirtschaft, sehr zurückhaltenden Verbrauchern und dem mit einigen Großpleiten kämpfenden chinesischen Immobiliensektor. Zuletzt hatten das Finanzministerium und die Notenbank wieder eine expansivere fiskalische und geldpolitische Haltung eingenommen und alleine durch diese Signale weitere Verwerfungen verhindert und die Grundlage für eine Markterholung gelegt. Wir sehen gute Chancen, dass chinesische Aktien (A-Shares, die sogenannte Festlandaktien) im kommenden Jahr positive Beiträge in Sachen Performance und Diversifikation in den von uns gestalteten Portfolios liefern können. Dementsprechend findet sich in unserer Strategie seit November eine Anfangsposition.

Die Wertentwicklung von Anleihen 2021 bestätigt unsere seit einiger Zeit ungewöhnlich starke Zurückhaltung gegenüber dieser Anlageklasse. Negative reale Renditen bei Investment Grade-Anleihen, teilweise selbst im europäischen Hochzinssegment, stellen eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für unseren Anspruch auf Werterhalt dar. Erschwerend hinzu kommt die immer noch weitgehend unklare Haltung der Notenbanken in dem Zielkonflikt zwischen Geldwertstabilität und schuldnerfreundlichen Finanzierungskonditionen. Davon ging im vergangenen Jahr und voraussichtlich auch im kommenden Jahr immer wieder eine hohe Nervosität aus.

Wir sehen im Anleihesegment, insbesondere bei langen Laufzeiten, auch in der nächsten Zeit sehr wenig Wert im Portfoliozusammenhang und halten uns davon weitestgehend fern.

Entwicklung ausgewählter Anleihenmärkte 2021

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Energieträger wie Rohöl oder auch Erdgas waren 2021 stark nachgefragt und trafen auf ein sehr eingeschränktes Angebot. Rohstoffe, die im Bereich der Elektrifizierung eine wichtige Rolle spielen, wie zum Beispiel Kupfer oder Lithium (+ 290 % in 2021), verzeichneten überaus starke Preiszuwächse.

Entwicklung ausgewählter Edelmetalle, Energie und Rohstoffe 2021

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Die Preisentwicklung von Gold empfanden wir angesichts der von Inflationsfurcht dominierten Stimmung als etwas enttäuschend. Obwohl wichtige fundamentale Antriebskräfte für Gold, wie Staatsverschuldung oder Geldmenge, auch 2021 wieder sehr stark angestiegen sind, konnte sich Gold im Jahresverlauf nicht wirklich positiv in Szene setzen. Die Diskussion über steigende Zinsen und der stärkere US-Dollar gewannen vorerst die Oberhand. Anleger mit dem Euro als Heimatwährung konnten zumindest über den stärkeren US-Dollar eine leicht positive Jahresrendite von 3,5 % erzielen.

Selbst die ab dem zweiten Quartal sprunghaft gestiegenen Inflationsraten brachten den Goldpreis nicht in die Nähe seiner historischen Höchststände. Der spürbare Anstieg der nominalen Zinsen im Jahresverlauf liefert nur eine unzureichende Erklärung, zumal das andauernd negative Niveau der realen Renditen (Zins abzüglich der zukünftig erwarteten Inflationsrate) eigentlich für eine stärkere Nachfrage nach Gold spricht.

Reale Renditen 10-jähriger inflationsgeschützter Anleihen USA und Deutschland

Datenquelle: BloombergDatenquelle: Bloomberg

Die Frage, warum zum Beispiel ein Euroanleger, der kein Risiko eingehen darf oder will, über einen Anlagezeitraum von 10 Jahren einen garantierten Kaufkraftverlust von mehr als 2 % jährlich zu akzeptieren bereit ist, lässt sich intuitiv kaum beantworten. Eine mögliche Interpretation ist, dass diese Anleger den Notenbanken keinen allzu starken Willen zur Inflationsbekämpfung unterstellen und erwarten, dass die zukünftigen realen Renditen sogar noch niedriger sein werden.

Wir denken, dass angesichts weiter wachsender Geldmengen und Schuldenberge, einem mehr als unklaren Kurs der Notenbanken und strukturell höherer Inflation die Anlage eines Teils des Vermögens unserer Mandanten in physisch gedecktem Gold sich in Zukunft als eine gute strategische Entscheidung herausstellen wird.

Ein anderes Edelmetall, das in unserer Strategie eine Rolle spielt, ist Silber. Wir mussten hier eine sehr wechselvolle Entwicklung in 2021 erleben, die sich in der zweiten Jahreshälfte auch stärker von der Goldpreisentwicklung löste. Hier zeigte sich, so wie bei anderen Edelmetallen mit industriellem Nutzungsanteil wie Platin oder Palladium auch, eine stärkere Abhängigkeit von der Konjunkturerwartung.

Im Rahmen einer auf langfristige Trends und Zukunftsthemen ausgerichteten Anlagestrategie halten wir Silber weiterhin für einen wichtigen Rohstoff, der unter anderem eine zentrale Rolle bei der Elektromobilität und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien spielt.

Unabhängig von der wachsenden industriellen Nachfrage scheint Silber für Anleger, die einem Kaufkraftverlust durch Negativzins und Inflation entgegenwirken wollen, eine große Anziehungskraft zu haben. Versuchen Sie einmal Euro-nominierte Silbermünzen in Deutschland im Fachhandel zu bekommen. Sie sind seit Wochen ausverkauft!

Von der langfristigen Perspektive bei Silber werden aus unserer Sicht jedoch besonders die fundamental nach wie vor sehr günstig bewerteten Aktien von Silberminenbetreibern profitieren. Diese finden sich ebenfalls in unserer Strategie.

Die Inflation bleibt – die Zeit des starken Anstieges ist aber bald vorbei

Inflation, mit ihrer dynamischen Entwicklung wahrscheinlich für die meisten die Überraschung des Jahres, ist vermutlich das Ereignis, das Konsumenten, Unternehmen und Finanzmärkte inzwischen am stärksten beschäftigt. Wie schon in unserem Rückblick auf das dritte Quartal erwähnt, gingen und gehen wir davon aus, dass uns Inflation für längere Zeit weiter begleiten wird. Das Inflationsziel der meisten Notenbanken von 2 % pro Jahr, dürfte dabei noch oft überschritten werden.

Basis- und Sondereffekte werden zumindest dafür sorgen, dass im Verlauf des ersten Halbjahres 2022 die Preissteigerungsraten etwas niedriger ausfallen. Andere preistreibende Effekte, wie die Störungen in den Lieferketten, halten vorerst noch an, sollten sich aber im Jahresverlauf moderat reduzieren und damit die teils prozentual zweistelligen Steigerungen bei Transport- und Produzentenpreisen abbremsen. Zunehmende Produktionsausweitungen schaffen mittelfristig Entspannung auf der Angebotsseite, leere Lager werden wieder aufgefüllt, der hohe Auftragsbestand peu à peu abgearbeitet und die Nachfrage beginnt sich wieder zu normalisieren.

Strukturelle Preistreiber wie Investitionen in Digitalisierung, den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft, der Ersatz- und Neubau von Infrastruktur und steigende Lohnkosten wegen der anhaltenden Knappheit von Arbeitskräften (vor allem mit passenden Qualifikationen) halten die Inflation auf einem im Vergleich der letzten 20 Jahre deutlich höheren Niveau. Die reale Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale ist neben ungewöhnlich vielen anderen Unsicherheitsfaktoren das wahrscheinlich größte Risiko für die Kapitalmärkte in den kommenden Quartalen.

Geldpolitik 2022 – der Schlingerkurs der Notenbanken hält die Finanzmärkte weiter in Atem

Die aktuelle Aufgabenstellung für die Notenbanken ist denkbar komplex und führt sie geradewegs in ein Dilemma. Verbraucher fordern die Bekämpfung des Preisanstiegs und Sparer wehren sich gegen die reale Entwertung ihrer Guthaben. Etliche Unternehmen benötigen billige Kredite zum Überleben, zum Investieren oder um ihre hohe Börsenbewertung durch niedrige Zinsen zu rechtfertigen. Regierungen finanzieren neue Schulden auch über die Bilanz ihrer Notenbanken. Wem soll die Geldpolitik gerecht werden und wessen Interessen müssen warten?

Wir hegen den Verdacht, dass wir zumindest bei der EZB davor stehen, nach dem Unterlaufen des Verbotes der monetären Staatsfinanzierung (durch indirekte Aufkäufe von Staatsanleihen) den nächsten „Sündenfall“ zu erleben, dass das vorrangige Ziel der EZB, Preisniveaustabilität zu gewähr-leisten (d.h. Inflationsbekämpfung durch Verknappung von Liquidität = Zinserhöhung), nicht mehr nachdrücklich verfolgt wird. Dies würde bedeuten, dass dem Bedarf von Staaten (günstige Finanzierung ihrer Verschuldung), Wirtschaft und Finanzmärkten (höhere Unternehmensbewertung dank niedrigerer Diskontierungssätze) Vorrang eingeräumt wird.

Wie andernfalls eine Geldpolitik aussehen könnte, die den Spagat schafft zwischen der Vermeidung einer Wirtschafts- und Schuldenkrise aufgrund steigender Finanzierungskosten, wirksamer Inflationsbekämpfung und einer maßvollen Konjunkturstimulierung, übersteigt zur Zeit noch unser Vorstellungsvermögen.

Was uns in der nächsten Zeit voraussichtlich beschäftigen wird

Wie immer möchten wir eine kleine Auswahl von Überlegungen präsentieren, denen wir gerade besondere Aufmerksamkeit widmen. Wir erwarten, dass sie uns wichtige Hinweise für unsere Investmentstrategie und die zukünftige Portfoliogestaltung liefern:

  • Hinweise auf die zukünftige Ausrichtung und Stabilität der EU als zweitgrößter Währungsraum dürften im ersten Halbjahr vor allem die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Frankreich (zu dieser Zeit auch Inhaber der EU-Ratspräsidentschaft) und der noch nicht sichere, aber recht wahrscheinliche Amtswechsel von Mario Draghi in Italien geben. Dieser könnte vom Regierungschef einer effektiven und endlich einige überfällige Reformen einleitenden Mehrparteienkoalition, die momentan auch ein erstaunliches Wirtschaftswachstum verbucht, in das vor allem repräsentative Amt des Staatspräsidenten wechseln. Neuwahlen und damit ein Rückfall in politisches Chaos wären eine mögliche Folge. Beide Länder verfolgen seit Längerem eine EU-Politik, die mit der Überschrift „Vergemeinschaftung“ (Haushaltsmittel, Staatsverschuldung, Banken- und Einlagensicherungssysteme) charakterisiert werden kann. Das im EU-Vergleich sehr hoch verschuldete Italien profitiert mit am stärksten von der aktiven Unterstützung der EZB bei der Schuldenfinanzierung des Staatshaushaltes und von den EU-Mitteln des Wiederaufbauprogrammes. Auch stehen beide Länder in der mehrheitlichen Wahrnehmung und in ihrer jeweiligen Tradition für eine weniger stabilitätsorientierte Geld- und Fiskalpolitik.

  • Die Notenbanken werden angestrengt versuchen, das nominale Zinsniveau unter ihrer Kontrolle zu behalten. Zinserhöhungen werden dabei nicht das erste Mittel ihrer Wahl sein, wegen der zu erwartenden destabilisierenden Wirkung auf Staatshaushalte und das Bewertungsniveau von Aktien- und Immobilienmärkten. Möglicherweise kommen andere Instrumente zum Einsatz, auf die sich die Finanzmärkte noch einstellen müssten. So wäre es denkbar, dass die FED oder vielleicht auch die EZB dem Beispiel der Bank von Japan folgen und dazu übergehen, nicht nur den Leitzins (gültig für sehr kurze Laufzeiten) festzulegen, sondern auch die Renditen für Staatsanleihen in bestimmten längeren Laufzeitbereichen durch ständige und vor allem unbegrenzte An- und Verkäufe auf zuvor bekanntgegebene Zielwerte zu begrenzen. Die Preisbildungsmechanismen eines freien Kapitalmarktes wären noch stärker ausgehebelt als ohnehin schon.

  • Allem Anschein nach werden Unternehmen, Konsumenten und Regierungen lernen müssen, mit dem Coronavirus für lange Zeit zu leben. Dieser „Lernprozess“ wird 2022 allerdings durch fiskalische Maßnahmen sehr viel weniger Unterstützung finden, als dies in den vergangen zwei Jahren der Fall war. Das im Dezember kurz vor der Senatsabstimmung gescheiterte 1,75 Billionen Dollar-Ausgabenprogramm („Build Back Better“) der US-Regierung, das auch als „Konjunktur-Booster“ dienen sollte, zeigt beispielhaft, wie hoch die politischen Hürden für eine ungebremste Fortsetzung solcher Ausgabenprogramme inzwischen sind. Die Signalwirkung auf die US-Konjunktur und damit auch auf alle anderen Regionen ist nicht zu unterschätzen.

Was Sie von uns erwarten können

Wir gehen mit Optimismus in das neue Jahr hinein, geben uns allerdings auch keiner Illusion hin – 2022 wird kaum weniger herausfordernd werden als das vergangene Jahr.

Alle, die im Euroraum leben und wirtschaften, stehen vor der wenig erfreulichen Perspektive, dass ihr Geldvermögen, so es mit Negativzinsen auf Konten „aufbewahrt“ ist, voraussichtlich eine reale Entwertung in einer Größenordnung von 4 bis 5 % bis zum Jahresende 2022 erleiden wird.

Die BPM als Vermögensgestalter fühlt sich von dieser Ausgangslage besonders und in einem positiven Sinne angespornt. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, in diesem Umfeld wirksame Strategien für die Vermögensanlagen unserer Mandanten zu entwickeln. Das nehmen wir gerne an.

Ehrlich gesagt, wir freuen uns schon darauf!

In diesem Sinne wünschen wir allen Mandanten, Partnern und Interessenten der BPM ein erfolgreiches neues Jahr.

Uwe Günther

Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der BPM - Berlin Portfolio Management GmbH.

Disclaimer

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