Rückblick und Ausblick Erstes Quartal 2023

Auf einen Blick – Wichtige Entwicklungen im ersten Quartal 2023

Konjunktur und Inflation

  • Konjunkturdaten und Geschäftsklima in USA und Eurozone zeigten sich bisher noch robust
  • Preisanstieg verlangsamt sich auch dank statistischem Basiseffekt - Kernraten (ohne Energie und Lebensmittel) dagegen steigen weiter - Inflationsraten übersteigen das Ziel von 2 % um mehr als das Dreifache (USA 6,0 % im Februar, EU 6,9 % im März )
  • Störungen in den internationalen Lieferketten geringer – Auftragsbestände werden abgearbeitet – Frühindikatoren signalisieren deutlichen Rückgang von Neuaufträgen – Unternehmensgewinne geraten zunehmend unter Druck (Kostenentwicklung, Zinsen)
  • Nullwachstum im ersten Halbjahr 2023 erwartet – Ausbleiben einer Rezession wäre bereits „Positivszenario“ für 2023
  • China gilt wieder als Hoffnungsträger für stärkere globale Konjunktur – Enttäuschungspotential baut sich auf

Geld- und Fiskalpolitik

  • Notenbanken müssen weitere Leitzinserhöhungen forcieren um glaubwürdig zu bleiben und Inflationserwartungen einzudämmen –Fehleinschätzung der Inflationssignale 2021 hat Vertrauen massiv gestört – Gefahr des „Überziehens“ besteht
  • Reduktion der Notenbankbilanzen parallel zu Zinserhöhungen – Liquidität im Bankensystem wird zunehmend knapp – Kredite verteuern sich deutlich und werden restriktiver vergeben
  • Nach dem Zusammenbruch zweier mittelgroßer US-Banken im März bestand die Gefahr einer neuen Krise im Bankensektor – schnelles und koordiniertes Eingreifen verhinderte zunächst Eskalation – „Flucht in Sicherheit“ löst starken Renditerückgang aus

Politik und Geopolitik

  • Subventionswettlauf zwischen USA und EU hat begonnen (z.B. US Inflation Reduction Act oder EU Green Deal Industrial Plan)
  • Energiekrise in Europa blieb dank mildem Winter und wegen rechtzeitiger Ersatzlieferungen aus
  • Streikwellen für kräftige Lohnerhöhungen in EU und Großbritannien werden von ausgelasteten Arbeitsmärkten gestützt
  • Noch viel zu wenig beachtet – die Höchstgrenze für US-Staatsverschuldung („Debt ceiling“) wurde im Januar erreicht - politische Einigung bis Mitte 2023 dringend nötig, sonst droht technische Zahlungsunfähigkeit des amerikanischen Staates

Anlagemärkte

  • Finanzmärkte versuchen Wendepunkt der Zinspolitik vorhersehen – verursachen damit immer wieder starke Schwankungen
  • Aktien setzten, ebenfalls unter starken Preisausschlägen, ihre seit Oktober‘22 laufende Erholung fort
  • Anleihen erlebten eines der turbulentesten Quartale seit vielen Jahren – erzielten dennoch ein positives Quartalsergebnis
  • Gold wurde seiner Rolle als „Anker fürs Depot“ gerecht – profitierte von anhaltender Nachfrage aufgrund der großen Unsicherheit und wegen stark sinkender Renditen bei risikofreien Anleihen
  • BPM - Portfolios entwickelten sich im ersten Quartal trotz des schwierigen Umfeldes durchweg positiv

Aktien

Aktienmärkte erlebten im ersten Quartal eine Achterbahnfahrt. Hin- und hergerissen zwischen Hoffnungen auf ein schnelles Ende der aggressiven Leitzinserhöhungen und Inflations- und Konjunkturdaten, die dem widersprachen, lösten mehrfach kräftige Kursschwankungen aus. Aktien zeigten im ersten Quartal eine positive Entwicklung, wenn auch mit kräftigen Schwankungen und unterschiedlichem Ergebnis (Grafik 1).

Berichte über meist solide Gewinnentwicklungen der Unternehmen für 2022 und leicht besser als erwartete Unternehmensergebnisse für 2023 lieferten den Aktienmärkten gute Unterstützung von der fundamentalen Bewertung.

Zweifel an der Stabilität des Bankensektors, ausgehend von Problemen einiger mittelgroßer US-Banken und der Schweizer Credit Suisse, lösten in der zweiten Märzhälfte Turbulenzen aus (Grafik 2).

Der Vertrauensverlust löste Umschichtungen von Bankeinlagen aus und konnte nur durch koordiniertes Eingreifen von Regierungen, Notenbanken und Bankenaufsicht gestoppt werden. Vergleiche zur „Großen Finanzkrise“ 2008 erscheinen unpassend. Neben den anderen Ursachen und der unterschiedlichen Ausgangslage spricht auch dagegen, dass Notenbanken trotz der äußerst angespannten Lage die Leitzinsen zur Inflationsbekämpfung weiter anheben konnten, ohne die Finanzmärkte damit zusätzlich zu erschüttern.

Wachstumstitel entwickelten sich deutlich besser als Substanztitel. Der Russell 1000 Growth Index stieg um 20,4 %, während der aus Substanzwerten gebildete Russell 1000 Value im ersten Quartal lediglich um 0,4 % zulegen konnte. Substanztitel spiegeln die aktuelle Wirtschaftslage damit wahrscheinlich besser wider.

Die unruhigen Marktbedingungen werden anhalten bis besser absehbar ist, wie höhere Preise und Zinsen das Verhalten von Verbrauchern und Unternehmen beeinflussen. Gelingt es den Unternehmen, ihre Gewinnmargen weiterhin durch Preiserhöhungen zu schützen, dürfte eine Rezession die Aktienmarktentwicklung kaum beeinträchtigen.

Anleihen und Zinsen

Anleihen setzten ihre Erholung nach den schweren Verlusten des vergangenen Jahres fort, wenn auch wieder unter starken Schwankungen. Im ersten Quartal verzeichneten Anleihen in allen Bonitätssegmenten positive Ergebnisse (Grafik 3).

Hilfreich war vor allem, dass Anleiheportfolios durch die deutlich höheren  Renditen spürbar resilienter gegen weiter steigende Marktzinsen geworden sind. Die Renditen für USD-Unternehmensanleihen guter Schuldnerqualität (Investment Grade) liegen inzwischen über 5 %; die von Euro-Unternehmensanleihen bei 4 %. Noch vor 12 Monaten lagen diese Renditen bei 2 %, respektive nur knapp über Null. Investitionen in Anleihen sind mit Renditen auf dem höchsten Stand seit über 10 Jahren für die Dauer von 1 bis 2 Jahren interessant. Bei langfristigen Anlagen ist jedoch zu bedenken, dass die „Rendite nach erwarteter Inflation“ einen realen Vermögenserhalt nach wie vor unwahrscheinlich macht.

Mit Ausnahme von China und Japan setzten die großen Notenbanken im ersten Quartal ihre Zinserhöhungspolitik unbeirrt fort. Erklärtes Ziel bleibt es, die deutlich zu hohen Inflationsraten zu reduzieren. Als Folge ist zu erwarten, dass die wirtschaftliche Entwicklung deutlich abgebremst wird. Noch herrscht an den Finanzmärkten keine verlässliche Erwartung, wie weit die Zinserhöhungen gehen werden. Dieser Unsicherheitsfaktor wird an angesichts der Konjunkturdatenlage weiter erhalten bleiben und neue Wertschwankungen produzieren (Grafik 4)

Unter erheblichem Druck standen nach den Rettungsmaßnahmen für die Credit Suisse nachrangige Anleihen von Banken. Daraus entstanden Kursrückgänge, die in den allermeisten Fällen deutlich zu hoch ausfielen. Ende März war bereits der Start einer breiten Erholungsbewegung zu beobachten –  das Vertrauen kehrte langsam zurück.

Anleihen sind wieder sinnvoll für die Portfoliogestaltung, auch wenn „Buy-and-hold-Strategien“ angesichts der Aussicht auf negative reale Renditen nicht verlockend sind. Positiv ist, dass Anleihen als für diversifizierte Portfolios wichtige Anlageform wieder nennenswerte Erträge abwerfen und damit in Zukunft stabilere Wertentwicklungen des gesamten Portfolios ermöglichen.

Alternative Anlagen

„Wertspeicher“ wie physisches Gold oder Kryptowährungen, die unabhängig von der klassischen Aktien- oder Anleihenwelt sind, waren besonders während der Vertrauenskrise im Banksektor gefragt. Sie profitierten von starker Nachfrage aufgrund der allgemein hohen Unsicherheit. Der Goldpreis erreichte Ende März mit knapp 2.000 USD den höchsten Stand seit mehr als einem Jahr.

Rohstoffe, denen eine Schlüsselfunktion bei der Energiewende zukommt, sind inzwischen Teil geostrategischer Überlegungen und ihre Erschließung wird daher oft generös subventioniert. In den von BPM gestalteten Portfolios haben wir in dieses Anlagethema bereits vor geraumer Zeit zukunftsgerichtet investiert. Die Preisentwicklung in diesem Segment enttäuschte zuletzt. Wir sehen hier jedoch, ungeachtet kurzfristig negativer Preiseinflüsse, einen erheblichen strukturellen Nachfrageüberhang aufgrund der anlaufenden Umbrüche in Bereichen wie Mobilität, Energieerzeugung, Energieübertragung und –speicherung. 

Neben der wieder besseren Verfügbarkeit führte auch geringere Nachfrage (mildes Wetter, Nutzung anderer Energiequellen) zu einer Entspannung der Energiepreise (Grafik 6).

Industrierohstoffe zeigten im ersten Quartal eine uneinheitliche Preisentwicklung. Belastend wirken sich die bescheidenen Konjunkturaussichten aus. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf zusätzlicher Nachfrage aus China nach dem Ende der belastenden Zero-Covid-Politik und dem Abbau der noch relativ hohen Vorratsbestände dort. Die in diesem Jahr voraussichtlich fehlenden Konjunkturimpulse für die Rohstoffnachfrage aus den USA oder Europa dürften dagegen bereits in den aktuellen Preisen reflektiert sein.

Gold sowie mit einem sinnvoll begrenzten Anteil auch breit diversifizierte Kryptowährungen helfen dabei, gemischte Portfolios bei besonderem Marktstress zu stabilisieren. Rohstoffe als Anlageklasse konnten sich bereits in früheren Zeiten bei geringem Wirtschaftswachstums und stark steigenden Preise als wirksamer Vermögensschutz bewähren.

Wie es weiter gehen wird

Mit Nervosität und stärkeren Marktschwankungen ist weiter zu rechnen. Die Zinsentwicklung ist zur Zeit der entscheidende Faktor für die kurzfristige Finanzmarktentwicklung. Stabile Arbeitsmärkte und die Möglichkeit von Unternehmen, Preiserhöhungen vorzunehmen, sprechen für eine weiter robuste Konjunktur, aber auch Inflationsentwicklung. Zweifel an der Stabilität des Bankensektors sollten kein dauerhaftes Thema werden. Liquidität bleibt knapp und stark nachgefragt – so wollen es die Notenbanken.

Erwartungen und Investmentideen in den Portfolios

Unser Hauptszenario geht von einer verhalten positiven Entwicklung der Finanzmärkte auf Basis einer stabilen, wenn auch nicht stark wachsenden Weltwirtschaft in den nächsten Monaten aus. Der Zinsanstieg sollte sich weiter verlangsamen, bevor er voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte in den USA und etwas später in der Eurozone zum Stillstand kommt.

Obwohl es durchaus auch Argumente für eine Verringerung der Aktiengewichtungen in den Portfolios gäbe (z. B. angespannte geopolitische Lage, drohende soziale Unruhen, restriktive Geldpolitik, knappe Liquidität), scheint es uns dafür noch zu früh zu sein. Insbesondere europäische Aktienmärkte weisen, gemessen am Bewertungsniveau (Kurs-Gewinnverhältnis ca. 13x) und den Gewinnschätzungen für 2023 (Konsensschätzung + 16%), noch Raum für weiteren Wertzuwachs auf.

Anleihen profitieren jetzt von den stark gestiegenen laufenden Verzinsungen, unterliegen aber einem Restrisiko für weitere Renditeanstiege und im Rezessionsfall auch steigendem Kreditrisiko und / oder höheren Inflationserwartungen.

Besonders positive Ergebnisbeiträge erwarten wir von Investmentideen wie Anleihen aus Schwellenländern (Investment Grade), Unternehmensanleihen (Investment Grade) mit kurzen bis mittleren Laufzeiten, Aktien von Edelmetall- und Rohstoffminenbetreibern, Gold (physisch) und Alternativen Anlagen wie Volatilitätsprämien-Strategien oder Rückversicherungsprämien („Cat-Bonds“).

Wichtig ist uns eine breite Streuung von Chancen- und Risikofaktoren im Portfolio. Wir berücksichtigen dabei explizit auch weniger wahrscheinliche Risikoszenarien wie eine lang anhaltende Konjunkturphase ohne Wachstum und mit hoher Inflation. Rohstoffinvestments, physische Edelmetalle, aber auch Kryptowährungen in einem der individuellen Risikoneigung angemessenem Umfang wirken in diesem Umfeld als „Feuerversicherung“ für das Portfolio.

Interessante Fragen, die uns gestellt wurden…

Value oder Growth?

Die Frage, ob man bei steigender Inflation, steigenden Zinsen und einer eher schwachen Wirtschaftslage besser Aktien kaufen sollte, die als Substanzwert („Value“) gelten oder doch lieber auf Aktien setzen sollte, deren Geschäftsmodell starkes Wachstum („Growth“) in der Zukunft verspricht, wird auch unter erfahrenen Investoren zur Zeit kontrovers diskutiert. Die Definitionen und das Verständnis sind da oft verschieden. Auch werden hin und wieder Zusammenhänge konstruiert, die nicht unbedingt Sinn ergeben. Beispiel: „Value“ eignet sich für konservative Anleger - Dynamiker bevorzugen „Growth“. Leider ist das nicht so einfach!

Denn Unternehmen, die hohe Buchwerte in ihren Bilanzen haben und regelmäßig Dividenden zahlen, sind nicht zwingend „Value“. Genau so sind dividendenlose aber wachstumsstarke Unternehmen nicht immer „Growth“. Ungeachtet der ohnehin recht willkürlichen Kriterien meinen wir, ein Geschäftsmodell, dass den Investoren dauerhaft kein (reales!) Wachstum bringt, gehört nicht ins Portfolio - egal welchem Lager man es zuordnet.   

Der Grund dafür, dass „Value“ nach dem jahrelangen Höhenflug von „Growth“ in den Blick geriet, sind die seit Anfang 2022 stark angestiegenen Zinsen und die damit bei der Anlagebewertung höheren Abzinsung der zukünftigen Geldströme. Diese sollten bei „Growth“ deutlich höher sein (man rechnet mit hohen Gewinnen in der Zukunft) und lösen damit eine stärker negative Reaktion des Aktienkurses auf steigende Zinsen aus (Grafik 7). Growth-Aktien erreichten in der Niedrigstzinsphase 2019/2020 deutlich stärkere Kurszuwächse als Value-Aktien. Mit dem starken Zinsanstieg ab Ende 2021 kehrte sich dieser Vorteil zunächst um und führte danach in eine Seitwärtsbewegung.

Langfristig liegt aber der wirkliche „Renditemotor“ von Growth in der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen und den daraus im Erfolgsfall exponentiell wachsenden  Gewinnen. Wir setzten in den von uns gestalteten Portfolios diese Idee unter anderem bei verschiedenen Zukunftsthemen (z.B. „Internet nächste Generation“, Zukunftsmobilität, Clean Technology oder BioHealth) um.

Am besten gefallen uns Aktieninvestments mit moderater Dividendenrendite und viel qualitativem Wachstum. Erfolgreiche Dividendenfonds haben von jeher einen Fokus auf Dividendenwachstum gelegt.

Reine Dividendenstrategien ergeben nur Sinn bei klar auf regelmäßige Ertragserzielung ausgerichteten Strategien.

Das alte Warren-Buffett-Zitat gilt weiter: „Price is what you pay. Value is what you get.”

Unser oberstes Ziel ist, dass unsere Mandanten über den vereinbarten Investmenthorizont vor allem eine reale Kompensation der Geldentwertung erzielen. Für uns sind daher bei der Auswahl der Anlageformen neben dem eigentlichen „handwerklichen“ Können der Fondsmanager, Dinge wie Kreativität, Konsequenz im Handeln und weitsichtige Antizipation entscheidend. Nur so lässt sich ansprechende risikoadjustierte Wertentwicklung erzielen.

Uwe Günther

Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der BPM - Berlin Portfolio Management GmbH.

Disclaimer

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken und zur Nutzung durch den Empfänger. Sie stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der BPM - Berlin Portfolio Management GmbH zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Investmentfonds dar. Die in der vorliegenden Publikation enthaltenen Informationen wurden aus Quellen zusammengetragen, die als zuverlässig gelten. Die BPM - Berlin Portfolio Management GmbH gibt jedoch keine Gewähr hinsichtlich deren Zuverlässigkeit und Vollständigkeit und lehnt jede Haftung für Verluste ab, die sich aus der Verwendung dieser Information ergeben.

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